Renaturierung:Münchner Beachparty

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Die Isar wird wieder breiter, sauberer und romantischer: Darüber freuen sich nicht nur Spaziergänger und Naturliebhaber. An lauen Abenden bieten sich die Kiesbänke am Ufer für Grillfeste an - mitten in der Stadt.

Von Doris Näger

Es riecht nach Holzkohle und gebratenem Fleisch. Übers Flussbett schweben Rauschschwaden. Feuerschein glimmt über den Kiesinseln. Einzelne Lichter wandern durch die Nacht. Der Schein von Taschenlampen huscht über handgemalte Schilder: zu Sonja und Michael hier entlang, sagt der Pfeil, die WG aus der Baumstraße bittet rechts die Böschung hinab.

(Foto: Foto: dpa)

Zwischen Bäumen und Wasserarmen stehen überall Menschengruppen, kleinere, größere. Die einen sitzen gut eingerichtet auf Bierbänken. Andere haben es sich auf Decken und Isomatten bequem gemacht, so weit es geht über hartem Kiesel. Fackelglanz beleuchtet das Schnitzel auf dem Pappteller. Irgendwo schrummt einer auf der Gitarre.

Von der anderen Seite der Brücke flirren Musikfetzen herüber. Am Flaucher, rund um die gleichnamige Fußgängerbrücke, feiert München eine einzige große Grillparty - die in diesem Sommer sogar noch größer wird: Im Zuge der Isar-Renaturierung weitet die Stadt die Grillzone von Süden her bis zur Brudermühlbrücke aus.

Die Fläche mag klein anmuten: bis zur Brudermühlbrücke? Kiesinseln, flache Ufer und Terrassen am Fluss reichen nach Abschluss des vorletzten Abschnittes der Isar-Renaturierung jetzt schon bis zur Eisenbahnbrücke. Doch die Stadt will Rücksicht auf die Isar-Anwohner in der Au und in Giesing nehmen. Die neuen Strände zwischen Brudermühl- und Reichenbachbrücke sind gesetzesmäßig nur für Sonnenanbeter und Picknicker da, die ohne Feuer auskommen. Ob sich diese Verordnung in der Praxis durchsetzen lässt, muss sich zeigen. Im letzten Sommer standen die Grill-Schwaden am ganzen Fluss entlang.

Durch die Renaturierung bekommen die Gestade in Münchens Zentrum den Charakter einer voralpenländischen Landschaft. Für insgesamt 28 Millionen Euro bauen die Stadt und der Freistaat den Gebirgsfluss zurück.

Betonplatten wurden herausgerissen, das Flussbett verbreitert, Steilböschungen abgetragen. Um die zum Teil drei Meter Höhenunterschied zwischen Vorlandwiesen und Bett zu überbrücken, wurden Terrassen gebaut und Sitzsteine eingerichtet. Im Flussbett wurden Inseln aufgeschichtet, die sich jedoch mit dem Hochwasser verschieben und verändern können.

Bomben, Bakterien und seltene Blumen

Bei den Arbeiten gab es jede Menge Überraschungen: Weltkriegsschrott musste abgetragen, Bomben mussten entschärft - und seltene Orchideen geschützt werden. Teil der Renaturierung ist außerdem, dass das Wasser wieder Badewasserqualität erlangt. Südlich von München wurden Kläranlagen aufgerüstet, in denen Coli-Bakterien durch UV-Strahlen abgetötet werden. Im kommenden Jahr zur Bundesgartenschau soll die Isar zum Badefluss werden.

Die Isar als Vorzeigeobjekt bei der Bundesgartenschau - das wird allerdings nur teilweise funktionieren. Der letzte Abschnitt zwischen Braunauer Eisenbahnbrücke und Deutschem Museum wird dann noch nicht wieder der Natur angeglichen sein.

Mit dem Ergebnis des dafür ausgeschriebenen Architektenwettbewerbs waren die Anwohner der benachbarten Stadtviertel nicht zufrieden. Der erste Sieger, das Ingenieur-Büro SKI + Partner mit den Landschaftsarchitekten Irene Burkhardt und Johannes Mahl-Gebhard sowie den Architekten Matthias Reichenbach-Klinke und Hans Schranner, wollte von der Isar mittels Betonriegel einen kleinen Strom abtrennen, in dem Kinder spielen können. Dabei würde außerdem knapp die Hälfte der Wiesen entfernt.

Die Anwohner sprachen von Betonmonster und nannten es banal. Zudem widerspreche der Entwurf dem ursprünglichen Anliegen, wetterten sie. Der zweite Sieger dagegen fand Sympathie: Der Entwurf von Landschaftsarchitekt Winfrid Jerney, den Architekten Victor Lopez Cotelo, Stephan Zehl, der DER GmbH und Wilhelm Bechteler ähnelt stärker den bisherigen Veränderungen im Süden.

Durch ihren Protest erreichten die Anwohner nun, dass in einem so genannten Beteiligungsverfahren Anfang Juli ein Kompromiss erarbeitet werden soll. Der Stadtrat wird nach der Sommerpause darüber entscheiden. Läuft alles glatt, beginnt der Bau im Herbst 2005. Als Bauzeit sind laut Baureferat zwei bis drei Winter vorgesehen.

Wie die Ufer der Innenstadt-Isar im Jahr 2007 aussehen wird, weiß also so ganz genau noch niemand. Eines aber ist sicher: Das Flaucher-Gefühl - diese Atmosphäre, die zu München gehört wie die Biergärten - wird auch ins Zentrum Einzug halten.

© münchen erleben, 23.06.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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