Regierung stellt sich quer:Zu dick für den Staatsdienst

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Mit einem Body-Mass-Index von über 35 sei sie zu fettleibig, um Kinder zu unterrichten, wirft die Regierung von Oberbayern einer 29-Jährigen vor. Die Lehrerin klagt.

Ekkehard Müller-Jentsch

Bei seinen Lehrerinnen achtet der Freistaat auf die Figur. Die Regierung von Oberbayern weigert sich, eine 29-jährige Pädagogin in ihre Dienste zu übernehmen, weil sie zu dick ist.

(Foto: Foto: istock)

Noch vor zehn Jahren wären die überzähligen Kilos der Frau wahrscheinlich kein Thema für die Behörde gewesen: Die Hauptschullehrerin wäre als "mollig" oder "vollschlank" beim Amtsarzt durchgewinkt worden - vielleicht mit der Ermahnung, ein paar Pfunde abzuspecken. Doch inzwischen spielen Body-Mass-Index und Hüftumfang eine wichtige Rolle bei der Frage, ob jemand Beamter werden darf. Am Dienstag klagte die Betroffene vor dem Verwaltungsgericht München gegen den Freistaat.

Seine künftigen Staatsdiener lässt Bayern gründlich durchchecken: Der Dienstherr möchte häufige Fehlzeiten oder gar vorzeitige Pensionierungen vermeiden. Bei der 1,75 Meter großen Grundschullehrerin war einzig ihr Gewicht von knapp 100 Kilo negativ aufgefallen.

Die Frau wurde vom Amtsarzt deshalb unter dem Strich positiv beurteilt: Trotz des Übergewichtes zeigten sich weder körperlich noch psychisch irgendwelche Anhaltspunkte, die gegen eine Übernahme in das Beamtenverhältnis sprechen würden.

Und auch ein von der Regierung zusätzlich angeordnetes internistisches Gutachten ergab keine Hinweise, dass diese Beamtenanwärterin "aus jetziger Sicht" ein statistisch erhöhtes Risiko für spätere chronische Krankheiten, überhäufige Fehlzeiten oder eine vorzeitige Dienstunfähigkeit erkennen lasse.

Bloß keine Crash-Diät

Trotzdem legte sich die Regierung von Oberbayern weiterhin quer. Denn bei dem Taillenumfang der Anwärterin von 103 Zentimetern und dem sogenannten Body-Mass-Index (BMI) von 35,2 heiße die Indikation eindeutig "Adipositas", also Fettsucht.

Die Regierung halte sich an die Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Gesellschaft für Ernährungsmedizin, dass Übergewicht ab einem BMI von 35 als "chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko" anzusehen sei.

In der mündlichen Verhandlung zeigte Oberlandesanwalt Peter Samberger "aus eigener leidvoller Erfahrung" einiges Verständnis, da er selbst aus gesundheitlichen Gründen den "Ideal-BMI" von 25 anstreben solle.

Und auch der Vorsitzende Richter erinnerte daran, dass unter Medizinern umstritten sei, ob allein der Body-Mass-Index für eine Gesundheitsprognose ausreiche. Denn immerhin gehe es bei der Lehrerin um die nächsten 35 Jahre. Und weitere Risikofaktoren lägen bei ihr nicht vor, zumal sie weder rauche noch trinke.

Angesichts der Tatsache, dass Frauen im bundesdeutschen Durchschnitt einen Body-Mass-Index von 26,2 haben, schlug die Kammer schließlich als gütlichen Vergleich vor, dass die Lehrerin in der nächsten Zeit versuchen solle, zumindest einen BMI von 30 zu erreichen. Und wenn sie diesen nachweislich mindestens ein Jahr lang gehalten habe, werde man sie als Beamtin übernehmen, versicherte daraufhin die (sehr schlanke) Medizinalrätin der Regierung von Oberbayern.

Sie ermahnte die Lehrerin aber, dieses Ziel nicht mit einer "Crash"-Diät anzustreben: Es gehe hier nicht um kurzfristige Effekte, sondern um die dauerhafte Hinwendung zu einer sinnvollen und ausgewogenen Ernährung.

Die Lehrerin, die weiterhin unterrichten darf, wenn auch nur als staatliche Angestellte, zog daraufhin ihre Klage zurück (Az.: M 5 K 06.1957).

© SZ vom 28.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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