Regen-Sommer:Der ungeduldige Rötelritterling

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Süße Erdbeeren, frühreife Schwammerl, üppige Blumen: Das nasse Wetter hat auch seine guten Seiten.

Von Jan Grossarth

Es ist ein Sommer des Grauens. Ein bitterkalter Oktoberjuli, auch kurz vor den Sommerferien behalten die Angler mit ihren olivgrünen Regenschirmen die (Bade-)Seen rund um München ganz für sich.

Der verregnete Sommer hat schon jetzt die Herbstpilze sprießen lassen. (Foto: Foto: dpa)

Doch Kopf hoch, lehrt die Natur selbst: namentlich die Pilze, Erdbeeren, Bäume und Blumen, die allesamt vom Regenwetter profitieren. Schon jetzt sprießen etwa Wald- und Wiesenpilze, die eigentlich Septemberboten sind. Wer im Forstenrieder Eichelgarten die Gehwege verlässt, dem begegnet schon jetzt hie und da ein frühreifer Rötelritterling.

"In diesem Jahr", sagt Stefan Franke vom Verein für Pilzkunde, "sind die Pilze viel früher da, als sie eigentlich erscheinen dürften. Schon jetzt beobachten wir Spätherbstpilze." Der Rötelritterling ist zwar lecker, jedoch ähnelt er dem Satanspilz und sollte daher nur auf dem Schwammerlbrot wahrer Kenner landen. Aber auch Maronenröhrlinge, die sonst erst im Spätsommer sprießen, stehen bereits in den Wäldern.

Gründe sind der überdurchschnittlich starke Niederschlag der vergangenen Wochen - aber auch die Nachwehen des Jahrhundertsommers 2003: "Da war es viel zu trocken, es gab kaum Pilze, die haben jetzt noch immer alle Nährstoffe gespeichert und etwas nachzuholen", meint Diplombiologe Franke. "Die wollen jetzt unbedingt raus."

Zu den ungeduldigen Speisepilzen zählen auch Ziegenlippe oder Rotfußröhrling; die ersten Steinpilze erwartet der Pilzverein, wenn es draußen wärmer wird. Pfifferlinge gibt es rund um München naturgemäß wenige, aber auf den Kuh- und Pferdeweiden rund um München stehen schon Wiesenchampignons. Doch auch hier isst die Angst mit: Die Champignons können dem Knollenblätterpilz tödlich ähneln.

Weil so schnell nun wirklich nicht mit den frechen Schwammerln zu rechnen war, öffnen die städtischen Pilzberatungsstellen (Marienhaus und Pasinger Rathaus, jeden Montagvormittag) erst am 26.7. Bis dahin lädt Stefan Franke Zweifler zu Vereinsabenden ein (Näheres im Internet: www.pilze-muenchen.de).

Doch auch diejenigen, denen Pilze gar nicht schmecken, können vom verregneten Sommer profitieren: Denn der hat auch die Erdbeersaison um drei Wochen verlängert. "Die Qualität der Früchte ist sehr gut, die hatten viel Wasser und konnten in Ruhe reifen", wirbt Manfred Wolf von Erdbeeren Wolf.

Aber Erdbeeren bräuchten doch viel Sonnenschein, denkt der Hobbypflücker. "Das spielt überhaupt keine Rolle", entgegnet Wolf, der nur ein Problem hat: Egal, wie süß seine Früchte schmecken, bei Regen mag kaum jemand pflücken. Etwa eine Woche sind seine Felder noch geöffnet - im Vorjahr war schon Ende Juni Schluss. Ähnlich ist es auf allen Münchner Erdbeerfeldern.

In Bogenhausen freut sich ein Großgärtner, der seine Margeriten und Forsythien bislang kaum gießen brauchte. "O ja, das ist eine Kostenerleichterung", sagt Hermann Neumann. Der Bayerische Bauernverband hingegen mag nicht in das Loblied auf den herrlichen Regensommer einstimmen: Getreideernte im Verzug, meldet Sprecherin Brigitte Scholz. Und Getreide ist wichtiger als Schwammerl.

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