Rechtsstreit:Skinheads wollen Opfer nicht voll entschädigen

Lesezeit: 2 min

Eine Entschädigung hat der Freistaat dem Griechen Artemios T. gezahlt, nachdem er in München von Rechtsradikalen brutal zusammengeschlagen worden war. Die hätte er nun gerne von den Tätern zurück. Die Haupttäter weigern sich aber: Das Opfer habe zu viel Geld erhalten.

Ekkehard Müller-Jentsch

Wieviel Geld hat dem von Rechtsradikalen brutal zusammengeschlagenen Griechen Artemios T. als Entschädigung wirklich zugestanden? Der Freistaat hat dem damals Schwerverletzten als Opferentschädigung insgesamt 54 736,49 Euro vorgestreckt und fordert diesen Betrag nun von zwei der vier strafrechtlich verurteilten Haupttätern zurück. Doch diese beiden, Anna Maria von P. und Christoph S., meinen nun, dass Artemios T. unter dem Strich zu viele Kosten erstattet worden seien.

Das Landgericht München I soll nun in einem voraussichtlich ziemlich langwierigen und aufwändigen Zivilprozess klären, ob das Opfer nicht womöglich früher als bisher behauptet wieder gesund und damit arbeitsfähig gewesen wäre.

Zur Erinnerung: Der Grieche war am 13. Januar 2001 Opfer eines Skinhead-Überfalls geworden. Im Rahmen der Geburtstagsfeier des - mittlerweile wegen Terrorismus verurteilten - rechtsradikalen Rädelsführers Martin Wiese im Lokal "Burg Trausnitz" in der Zenettistraße hatten mehrere Neonazis den Griechen niedergeschlagen und mit Stiefeln ins Gesicht getreten.

Derzeit völlig mittellos

Artemios T. wurde anschließend eine Opferentschädigung zugesprochen. P. und S. hatten sich aber nur bereit erklärt, davon 12 280,26 Euro in Raten an den Freistaat zurück zu bezahlen. Doch tatsächlich sind die beiden zumindest derzeit völlig mittellos: Anna Maria von P. macht gerade bei einem berühmten Londoner Antiquitätenhaus eine Ausbildung zur Kunsthändlerin, Christoph S. bemüht sich in Abendkursen darum, sein Abitur nachzuholen.

Bereits im Sommer wurde, wie berichtet, über diesen Fall verhandelt. Der Rechtsanwalt André Picker aus Dortmund hatte da zwar im Namen seiner beiden Mandanten die Notwendigkeit der Behandlungskosten bis Februar 2002 nicht angezweifelt - damit sind die erwähnten rund 12 000 Euro gemeint.

Für die Zeit danach bis 2003 hatte der Jurist aber Zweifel an der Notwendigkeit angemeldet: Artemios T. habe lediglich ein wenig aussagekräftiges Attest eines griechischen Neurologen vorgelegt, dass er weiterhin traumatisiert, damit behandlungsbedürftig und somit arbeitsunfähig sei.

Die Vorsitzende Richterin der 15. Zivilkammer, Helga Marek, hatte daraufhin einen Vergleich vorgeschlagen: Sollten die beiden bis Ende 2012 insgesamt 45 000 Euro bezahlt haben, solle ihnen der Restbetrag erlassen werden. Diesen Kompromiss hat Picker jedoch widerrufen. Daraufhin wurde beschlossen, dass im kommenden Jahr ein medizinischer Gutachter diese Frage klären soll.

Gestern wurde zudem als Zeuge ein bekannter griechischer Gemüsegroßhändler befragt. Er sagte aus, dass er Artemios T. eine Woche vor dem Überfall in einem Lokal kennengelernt und ihm einen Job angeboten habe. Just am Tage, nach dem er zusammen geschlagen worden war, hätte er eigentlich in dem Betrieb für 2900 Mark anfangen sollen - damit stünde Artemios T. Verdienstausfall zu. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gebe es allerdings nicht, das sei in der Branche nicht unbedingt üblich.

Der Prozess wird 2007 fortgesetzt.

© SZ vom 30.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: