Rechtsstreit:"Sie hat mir den Pumuckl kaputt gemacht"

Lesezeit: 3 min

Der Kobold und die Frauen: Ein Gericht muss entscheiden, ob Pumuckl eine Freundin haben darf. Doch eigentlich geht es um viel mehr: Hat er nun zwei Mütter oder nur eine?

Ruth Schneeberger

Da hilft kein Hohn: Über Pumuckl und die Frage, ob ihm eine Frau zur Seite gestellt werden darf, soll oder kann, zerbrechen sich zurzeit viele schlaue Menschen die Köpfe. Das Landgericht München I sollte eigentlich am Donnerstag Mittag darüber befinden - die Entscheidung wurde aber vertagt, weil die Sache komplizierter ist als gedacht.

Das Problem: Pumuckl hat nicht nur eine Erfinderin, nämlich Ellis Kaut, sondern auch eine Zeichnerin, Barbara von Johnson. Die beiden streiten sich seit Jahren darüber, wer welche Urheberrechte hat. Dabei geht es um Geld und Geltung.

Jetzt sieht Ellis Kaut endgültig ihre Urheberpersönlichkeitsrechte verletzt. Bisher sei immer die Zeichnerin gegen sie vor Gericht gezogen, nun bemühe sie zum ersten Mal das Gericht, um sich gegen Johnson zur Wehr zu setzen, denn es sei ein Punkt erreicht, der sie wütend mache: Von Johnson versuche, die Figur Pumuckl fortzuschreiben. Dazu habe sie kein Recht.

Innerer Witzbold

Der Hintergrund: Barbara von Johnson hat einen Zeichen-Wettbewerb unterstützt, in dem Kinder eine Freundin für Pumuckl malen sollten. Wer die schönste Frau zeichne, werde zur Hochzeit eingeladen, hieß es. Von Johnson soll dabei gesagt haben, dass es der Pumuckl nach 43 Jahren Unfug verdient habe, eine Frau zu bekommen. Der Wettbewerb wurde auf München Live TV ausgestrahlt.

Und genau darin sieht Ellis Kaut ihr Recht verletzt. Es sei nicht von Johnsons Aufgabe, die Pumuckl-Figur weiter zu entwickeln. Von Johnson sei nur die zeichnerische Schöpferin von Pumuckl, sie selbst aber die literarische.

Für von Johnsons Anwalt ist der Fall klar: Sie habe als Kunsttherapeutin lediglich Mädchen anregen wollen, "ihren inneren Witzbold zu erkennen".

Von Johnson hatte dem Pumuckl 1963 zwar sein Gesicht verliehen, gezeichnet hat ihn aber seit Beginn der 80er Jahre der Schwiegersohn von Ellis Kaut, Brian Bagnall. Seitdem sahen sich die beiden Damen vor allem vor Gericht wieder.

Zum Verhandlungstermin am Donnerstag Mittag ist Barbara von Johnson nicht erschienen. Ellis Kaut schon. Empört wirkt sie, fast, als als ginge es um ihr leibliches Kind - und sie gibt unmissverständlich zum Ausdruck, dass eine Frau für Pumuckl nicht in Frage komme: "Pumuckl ist ein Geistwesen, hat kein Alter und kein Geschlecht." Die Sexualisierung der Figur störe und sei mit ihr nicht zu machen. Außerdem, so verrät sie nach dem Gerichtstermin, könne der Kobold schon deshalb keine Freundin haben, weil es im geeigneten Moment unsichtbar wird - und was macht er dann?"

"Ich habe sie groß gemacht"

Vor allem aber störe sie, dass von Johnson sich ständig als Mutter des Pumuckl bezeichnen lasse. Energisch wirft sie ein: "Meine Leistung als literarische Schöpferin ist die größere." Außerdem kenne sie niemanden, der zwei Mütter habe. "Warum kann es nicht eine Mutter und eine Tante geben?" Dass es auch um verletzte Emotionen geht, wird spätestens klar, als sie über Johnson sagt: "Sie hat mir den Pumuckl kaputt gemacht." Schließlich habe die Zeichnerin immer wieder prozessiert und damit unter anderem Fernsehausstrahlungen verhindert.

Von Johnson hatte 1965 als Studentin die Figur illustriert, sich zunächst aber nicht um die Urheberrechte für die Grafik gekümmert. Diese sicherte sie sich 2003 vor Gericht. Interessanterweise war auch sie durch einen Zeichenwettbewerb ausgewählt worden - von Ellis Kaut. Kaut sagt: "Sie war eine Schülerin. Ich habe sie ja groß gemacht."

Spätestens als Kauts Anwältin Dorothee Wilcke und von Johnsons Anwalt Nikolaus Reber anfangen, sich lautstark zu streiten, wird auch dem über juristische Spitzfindigkeiten versehentlich eingeschlafenen Prozessbeobachter aus der ersten Reihe wieder klar, worum es hier geht: um eine Figur aus der Kindheit, die ihren kleinen Zuschauern so sehr ans Herz gewachsen ist, dass sie sich auch jetzt, mindestens 20 Jahre später, noch freiwillig in einen Gerichtssaal setzen, um sein Schicksal zu verfolgen.

Mit Pumuckl lässt sich also Geld verdienen, das hätte man vor lauter Nostalgie beinahe vergessen. Er erhitzt aber auch immer noch die Gemüter, nach fast einem halben Jahrhundert. Inzwischen ist der rothaarige Frechdachs 45 Jahre alt - beziehungsweise "so alt, wie Sie möchten", wenn man seine Erfinderin fragt.

Was Pumuckl zu dem Fall sagen würde, möchte ein TV-Reporter von Ellis Kaut wissen. "Ich wüsste, wem er hier im Raum etwas angetan hätte - aber ich sag's nicht", sagt Ellis Kaut - und ihre Augen glitzern dabei so frech wie die von Pumuckl persönlich.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: