Reaktionen auf den Streik:Wenn Geschäftsmänner das Kickboard auspacken

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Radler, Inline-Skater, Kickboard-Fahrer und Fußgänger: Auf Münchens Straßen war heute einiges los. Viele Berufstätige arrangieren sich mit dem Streik im öffentlichen Nahverkehr und bleiben dabei erstaunlich gelassen.

Michael Detering, Sven Böll und Frederic Huwendiek

Es gibt Leute in München, die sich über den Streik im öffentlichen Nahverkehr richtig freuen. Ulrich Voigt ist einer von ihnen. "Meinetwegen können die jeden Tag streiken."

Voigt ist Rikscha-Fahrer und erwartet für den heutigen Tag jede Menge Kunden. Seine erste Tour hat er schon hinter sich. Ein Geschäftsmann wollte vom Marienplatz zur Königinstraße beim Englischen Garten gebracht werden. "Der Mann ist vorher noch nie Rischka gefahren. Normalerweise fahren auch fast nur Touristen mit." Voigt will die Situation aber nicht ausnutzen: Er verlangt dieselben Preise wie sonst auch. Die verstopften Straßen sind für ihn ein Vorteil. "Ich bin mit der Rischka ähnlich schnell wie ein Taxi."

Auch Klaus P. nimmt den Streik gelassen. Er hat heute seinen freien Tag und war nur beim Zahnarzt. Er ist mit dem Rad seiner Frau unterwegs. Zur Arbeit nutzt er normalerweise die U-Bahn, aber heute kommt er ins Grübeln. "Das macht Spaß. Ich überlege, ob ich öfter mit dem Rad in die Stadt fahre." In seiner Freizeit fährt er gerne Rennrad, ihm fehlt aber noch ein stadttaugliches Fahrrad. "Ich überlege mir, eins zu kaufen."

"Ich finde es amüsant"

Tatjana B. ist zu Fuß auf dem Weg zur Arbeit. Neben unzähligen Radlern überholen sie auch viele jugendliche Inline-Skater und Anzugträger auf dem Kickboard, dem modernen Design-Roller. "Ich finde es amüsant, welche Verkehrsmittel die Leute auspacken."

Caroline K. ist selber mit einem Kickboard unterwegs. Allerdings fährt sie nicht damit, sondern schiebt es nur. "Ich habe meine Tochter zur Schule gebracht, sie hat heute ihren zweiten Schultag." Normalerweise würde es mit S-Bahn und Bus zur Schule gehen, aber heute ist der Bus ausgefallen. "Das ist ein ziemlich weiter Weg, meine Tochter hat dann das Kickboard benutzt."

Erna R. hat volles Verständnis für den Streik. "Das ist doch das gute Recht der Busfahrer, die armen müssen doch immer zu schlechten Zeiten arbeiten."

Wut und Unverständnis

Es gibt aber auch Münchner, die sich richtig aufregen. Gertrud F. schimpft: "Ich halte von dem Streik überhaupt nichts. Immerhin muss ich jetzt laufen." Harald M. stört der Ausstand der Beschäftigten "ungemein". Ihm ist völlig egal, warum die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes streiken.

Susanne G. ist ebenfalls sauer: "In fast allen Branchen gibt es seit Jahren Nullrunden, um die Jobs zu sichern. Die streiken doch nur, weil sie Verdi im Rücken haben." Dass es bei dem Streik nicht um Lohnsteigerungen, sondern nur um das Ausmaß der Lohnkürzungen geht, scheint an vielen Münchnern völlig vorbei gegangen zu sein.

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