Raus aus der Stadt:Jenseits von Großstadtgetümmel und Schlafstadt

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Was Familien, die vor sechs Jahren aufs Land gezogen sind, in der Region hält und was sie vermissen

Stefani Wandl

Das kostet die Region'' - so lautete der Titel einer Serie, die die Süddeutsche Zeitung im Jahr 2000 recherchiert hatte. Damals kamen Neubürger in den Landkreisen zu Wort.

Von mehr als einem Dutzend Familien, die vor sechs Jahren befragt worden waren, leben sechs immer noch an dem Wohnort, den sie seinerzeit gewählt hatten. Von ihnen wollte die SZ wissen, wie es ihnen inzwischen ergangen ist, ob sie integriert sind, oder woran es ihnen auf dem Land mangelt.

Familie Mayer

Tina Mayer tritt aus der Terassentür und blickt rundum ins Grüne. Drei Katzen und zwei Hunde folgen ihr und toben im Garten auf dem gepflegten Rasen. ,,Wir sind hier sesshaft geworden'', sagt Tina Mayer.

Sie und ihr Mann leben seit acht Jahren im Neubaugebiet von Kirchberg im Landkreis Erding. Das Paar war von München aufs Land gezogen und bereut es nicht. Es erfüllte sich sogar den Traum vom Eigenheim. Zunächst hatten sie eine Doppelhaushälfte gemietet, 2001 bezogen sie gleich gegenüber ihr eigenes Haus, in das Tina Mayer kürzlich auch die Schwiegermutter aus Grafing aufnahm. ,,Wir haben hier viele Freunde gefunden'', stellt Tina Mayer fest.

Sie genießt die Landschaft, kauft ihre Eier beim Bauern in der Nachbarschaft. Obwohl sie mit ihrer Lebenssituation in Kirchberg zufrieden ist, gibt es für Tina Mayer einen Wermutstropfen. Sie war in einem Büro tätig und ist seit einem Jahr arbeitslos. Und nun hofft sie, bald einen Job zu finden. ,,Wir wollen unser Haus ja halten.''

Familie Peter

Den Schritt aufs Land hat auch Familie Peter aus Odelzhausen im Landkreis Dachau nicht bereut. ,,Wir wohnen mitten in der Natur - das ist für uns Lebensqualität'', sagt Wolfgang Peter.

Das Ehepaar war vor acht Jahren von Olching nach Taxa gezogen. In dem Odelzhausener Ortsteil war - im Gegensatz zu Olching - Bauland für die Peters noch erschwinglich. Die drei Kinder sind inzwischen 10, 13 und 19 Jahre alt. Natürlich müssten auch Abstriche gemacht werden: So sei der Supermarkt in der Gemeinde teurer als städtische Discounter. Obwohl die Schulbushaltestelle nur 500 Meter vom Haus entfernt liegt, sei man hier absolut aufs Auto angewiesen. Das Ehepaar besitzt deswegen zwei.

Wolfgang Peter benötigt seinen Wagen für seine Arbeit in München, seine Frau Olivia den ihren für Einkäufe. Was passiert, wenn die Benzinpreise wieder steigen? ,,Ich weiß es nicht - noch nehme ich es in Kauf'', sagt Peter.

Familie Junker

In ihrer Vierzimmerwohnung wird es inzwischen zwar eng, aber wegziehen aus Gilching käme für Ulrike Junker nicht in Frage. Sie und ihr Mann waren aus beruflichen Gründen von Würzburg in den Landkreis Starnberg gezogen.

Ulrike Junkers Mann arbeitet als Biologe in München. Der Gedanke, in die Landeshauptstadt zu ziehen, liegt Junker fern, obwohl die Mieten in Gilching kaum billiger sind und das Ehepaar für die Wohnung mittlerweile auch mehr bezahlen muss als anfangs.

Die Familie hat sich verdoppelt: Das Paar hat vier Buben im Alter von sechs und vier Jahren sowie Zwillinge, die vor sechs Monaten auf die Welt kamen. ,,Da ich selbst in einer Kleinstadt aufgewachsen bin, fühle ich mich sehr wohl hier'', so Ulrike Junker. Man habe Freunde gefunden, die Kinder könnten draußen herumtoben, sie selbst könne alle Einkäufe zu Fuß erledigen.

Familie Zeller

Ganz gezielt von München weg, aber in eine Stadt, die die komplette Infrastruktur bietet, ist Familie Zeller gezogen. ,,Hier in Grafing haben wir öffentliche Verkehrsmittel, das ist von Vorteil, weil wir beide pendeln müssen'', sagt Franz-Josef Zeller.

Das Ehepaar, das vor einigen Jahren in den Landkreis Ebersberg gezogen war, hatte damals ein Haus in Grafing-Bahnhof gebaut, hauptsächlich wegen der Kinder, die jetzt 17 und 12 Jahre alt sind. Zeller kommt auch gelegen, dass es in Grafing ein Gymnasium gibt. ,,Wir wollten nicht in eine reine Schlafstadt ziehen, wie sich so viele am Rand von München entwickelt haben, sondern in ein größeres Zentrum - das haben wir nicht bereut'', so Zeller.

Familie Rüger

Monika Rüger überzeugt an ihrem Wohnort das gute Angebot an kulturellen Einrichtungen, Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die Nähe zu München.

Die Familie war vor sechs Jahren in eine Vier-Zimmer-Wohnung nach Unterhaching gezogen. ,,Wir besuchen die Veranstaltungen im ,Kubitz', der Volkshochschule und sind Mitglied im Turnverein'', so Monika Rüger. Ein entscheidendes Kriterium für ihre Wahl sei zudem gewesen, dass es in Unterhaching einen Waldkindergarten gibt. ,,Das war damals noch nicht so selbstverständlich wie heute.''

Was ihr allerdings fehle, seien Einkaufsmöglichkeiten. Und auch an die Mietpreise mussten sich die Rügers erst einmal gewöhnen. In Stuttgart, wo sie zuvor lebten, bezahlten sie nur die Hälfte für eine vergleichbare Wohnung.

Familie Schulze

Karsten Schulze hat sich in Hallbergmoos gut eingelebt. Er ist, nachdem er einen Job in München angeboten bekommen hatte, mit seiner Frau aus den neuen Bundesländern in den Landkreis Freising gezogen. ,,Der Ort muss zwar viel Zuzug verkraften und die Gemeinde ist bemüht, die Infrastruktur weiter zu entwickeln'', sagt Schulze.

Der Vater von drei Mädchen im Alter von zwölf, elf und fünf Jahren schätzt gerade die Offenheit, die eine solche Gesellschaftsstruktur mit sich bringt. Schulze engagiert sich in einem Verein, der den Bau eines evangelischen Kirchenzentrums vorantreibt. Obwohl er täglich nach München in die Arbeit pendelt, steht für Schulze fest: ,,Wo man ein Haus baut, will man nicht gleich wieder weg.''

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