Rainer Werner Fassbinder:Schwieriges Gedenken

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Ein Starregisseur, ein Genie - doch ganz geheuer war er den Münchnern nicht: Vor 25 Jahren starb Rainer Werner Fassbinder.

Anne Goebel

Zum Klassiker entrückt wurde er schon vor 15 Jahren. Als man im Juni 1992 den zehnten Todestag Rainer Werner Fassbinders mit Büchern, klugen Denk-schriften, Retrospektiven beging, war klar: Jetzt gehört das einstige Enfant terrible zum kanonischen Pflichtbestand im Bücherschrank, Katzelmacher-Video neben Goethes Werken geht in Ordnung.

(Foto: Foto: dpa)

An diesem Sonntag ist es ein Vierteljahrhundert her, dass seine damalige Cutterin und Lebensgefährtin Juliane Lorenz den toten RWF am frühen Morgen des Fronleichnamstags 1982 in seinem verwahrlosten Zimmer der gemein-samen Schwabinger Wohnung fand.

Von größeren Gedenkveranstaltungen in München ist nichts bekannt, und möglicherweise liegt das auch daran, dass man nicht so recht umzugehen weiß mit dem Fünfundzwanzigsten: Das Brimborium von 1992 (,,Ein Genie stirbt nie'', Reden, Lesungen, 35 Filme) ist noch nicht so lang her, dass eine archäo-logische Wiederentdeckung in Angriff genommen werden müsste; in der Branche ist Fassbinder ohnehin präsent und so lebendig, wie Ikonen eben sein können.

Und überhaupt hat die Landeshauptstadt ja ihre Pflicht erfüllt: Es gibt seit 2004 einen Rainer Werner Fassbinder Platz - die Forderung nach einer Straßen-benennung geht zurück in die Achtziger Jahre -, seit 2006 eine Fassbinder-Fachoberschule.

Was diesjährige Feierlichkeiten betrifft, so ist außerdem das Datum überschattet vom bitteren Krieg zwischen Juliane Lorenz, Leiterin der ,,Fassbinder Foundation'', und Ingrid Caven, ehemalige Ehefrau, über angebliche Mythos-fälschung.

München und RWF: Andererseits ist es schon interessant, sich zu vergegen-wärtigen, wie schwer sich die Stadt mit dem sperrigen Genie stets getan hat. Seit sich der gebürtige Bad Wörishofener und Erfinder des experimen-tellen ,,Antitheaters'' mit frühen Filmen wie ,,Katzelmacher'' und ,,Liebe ist kälter als der Tod'' Ende der Sechziger Jahre in die erste Riege der deutschen Regietalente katapultiert hatte, war jeder Auftritt, jeder Drehtermin des tyrannischen Workaholics den lokalen Blättern eine schaudernde Boulevard-Schmonzette wert.

Und es ist ganz gut vorstellbar, dass der Tenor der Geschichten die Haltung vieler Münchner zu ihrem weltweit gefeierten schrecklich wüsten Jung-Genie ganz gut trifft. In den Zeitungen von damals heißt er ,,Starregisseur'', aber geheuer ist er nicht: seine Homosexualität, die schönen Frauen in seinem Gefolge, der ,,Clan'' der geförderten und ausgebeuteten Mitarbeiter und Schauspieler von Hanna Schygulla, Irm Hermann, Barbara Sukowa bis Günther Kaufmann, Peer Raben, Barbara Valentin.

Die Antisemitismus-Vorwürfe, die rastlosen Tage, die Nächte in der ,,Deutschen Eiche'' - und natürlich die breit angelegte Berichterstattung über den einsamen Tod mit 37 in der Clemensstraße an Herzversagen nach zuviel Alkohol und zu vielen Tabletten.

Die dunkle Seite der Vorbehalte gegen den Provokateur kam danach zutage: Wochenlang zankte der Münchner Stadtrat, bis er sein Placet zur Bestattung von Fassbinders Urne auf dem feinen Bogenhausener Friedhof gab. Der Rest der Welt betrauerte längst den Verlust eines früh gestorbenen Genies.

Wahrscheinlich gibt es nicht wenige, die im Juni 2007 mehr Fassbinder schön gefunden hätten im Kulturprogramm der Stadt, in der er am meisten arbeitete. Andererseits: Gedenkfeiern bringen manchmal falsche Freunde hervor, die hätten ihm nicht gefallen. ,,Man feiert ihn, als hätte man ihn auf dem Gewissen'', schrieb 1992 sehr klug Urs Jenny.

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