Radl-Tipps vom Profi:Wie man die volle Power bringt

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Die Mountainbike-Fahrerin Regina Stiefel über Fahrtechnik, Superbikes und den richtigen Klick. Ein Interview von Karl Forster.

Sie war eine der wildesten Radlerinnen der Welt. 1993 und 1995 gewann Regina Stiefel den Gesamtweltcup in der Disziplin Downhillrace auf dem Mountainbike. Heute offeriert die 35 Jahre alte Superbikerin im Garmischer Dorinth-Hotel ihre Erfahrungen in einem Testcenter für interessierte Cyclisten.

Stiefel beim Downhill (Foto: N/A)

Hier kann man Traumbikes testen oder auch nur sein Rad exakt einstellen lassen. Eine, wie dieses Gespräch zeigt, nicht unwesentliche Hilfe beim großen Spaß auf zwei Rädern.

SZ: Viele fahren mit Hightech-Bikes durch die Gegend und klagen trotzdem über über Schmerzen im Rücken und an den Armen. Sind solche Bikes für den Laien überhaupt geeignet?

Stiefel: Ein Hightech-Bike hat nur Sinn, wenn es von einem Profi richtig eingestellt wird. Wir machen das am liebsten nach einem Testtag, dann weiß der Fahrer, wie ihm das Rad am besten auf den Körper angepasst wird, ob also die Geometrie stimmt. Der eine hat halt einen langen Oberkörper, der andere hat kurze Beine. Wer Probleme mit dem Nacken hat, braucht zum Beispiel einen steileren Vorbau.

SZ: Wie hoch soll ein Bike eingestellt sein, damit man optimal drauf sitzt?

Stiefel: Als Faustregel gilt, dass es ideal ist, wenn die Ferse am senkrechten Pedal aufsteht und das Knie dabei durchgestreckt ist. Die Höhe des Lenkers ist Sache von Nacken und Rücken. Die extrem flache Position bietet weniger Angriffsfläche für Gegenwind, verursacht aber bei untrainierten Fahrern eher Schmerzen. Je aufrechter man sitzt, desto angenehmer ist es für den Rücken, aber desto härter aber muss man strampeln.

SZ: Sind Pedale zum Einklicken für Fahrten in der Stadt sinnvoll?

Stiefel: Das ist eine Sache des Könnens. Prinzipiell ist natürlich ein Klickpedal für die Kraftumsetzung Drücken-Ziehen optimal. Ich hab das Aus- und Einrasten bei mir automatisiert, das ist eine Bewegung, die mache ich im Schlaf. Doch wer anfängt, mit dem Klickpedal zu fahren, soll das erst gründlich auf Wald- und Wiesenwegen üben, um schnell ausklicken zu können. Denn im Straßenverkehr ist das ohne diesen erlernten Automatismus eine große Gefahr. Man muss in der Lage sein, blitzschnell zu bremsen und abzusteigen, sonst fällt man einfach um.

SZ: Sind Federbeine nur Show oder nützlich?

Stiefel: Nein, Federbeine sind keine Show, sondern machen das Fahren komfortabler als auf einem bocksteifen Rahmen, gerade wenn man Rücken- und Nackenprobleme hat. Dafür ist bei solch einer Full Suspension die Kraftübertragung nicht so direkt wie beim Hard Tail. Der neueste Gag sind Federungen, die mit Hebeln deaktiviert werden können, damit man, wenn es nötig ist, die volle Power auf den Boden bringt.

SZ: Was kostet solch ein Bike?

Stiefel: Die gibt es schon für dreieinhalb bis fünftausend Euro.

SZ: "Schon" ist gut. Doch trotz Superschaltung und Titanrahmen kommt der Stadtfahrradler schnell ins Schwitzen. Wie baut man den Körper am besten auf, um eine gewisse Ausdauer auf dem Rad zu erreichen?

Stiefel: Viele kommen im Winter zu mir oder in ein entsprechendes Fitnessstudio zum Spinning. Wenn jemand gerne Rad fährt, sollte er in der kalten Zeit wirklich Indoorcycling betreiben. Aber auch Langlaufen nützt viel.

SZ: Wer entlang der Isar radelt, hat mit steilen Hochuferwegen und engen Pfaden zu kämpfen. Gibt es spezielle Techniken für steiles Bergauf- und Bergabfahren?

Stiefel: Vor allem fürs Bergabfahren ist grundlegend wichtig, dass man automatisch weiß, wo die Vorder- und wo die Hinterbremse ist. Denn wer aus Versehen die Vorderbremse zu stark zieht, steigt über den Lenker ab. Normalerweise gilt: vorne links ist die Vorderbremse, die mit viel Gefühl benutzt werden muss, rechts ist die Hinterbremse. Geht es steil bergab, bremst man mit beiden. wobei man die hintere schon mal voll durchziehen kann. Ebenso wichtig aber ist auch, dass bergab der Körperschwerpunkt hinter dem Sattel ist. Also: aufstehen, Pedale waagrecht, Arsch hinter den Sattel!

SZ: Wann geht man beim Bergauffahren aus dem aus dem Sattel?

Stiefel: Das ist eine Frage von Technik und Kraft. Ich selber bin eher eine Kraftfahrerin und bleibe lange im Sattel bei niedriger Tretfrequenz.

SZ: Eher so wie Jan Ullrich.

Stiefel: Ja, andere fahren wie Lance Armstrong, die spielen lieber mit hoher Frequenz im Stehen. Das ist Veranlagungssache, man muss testen, bei welcher Fahrtechnik die Muskeln am wenigsten übersäuern.

SZ: Und dann gibt es da noch die spektakulären Wheelies.

Stiefel: Die sollte man aber erst versuchen, wenn man mit dem Bike professionell umgehen kann, sonst ist das zu gefährlich.

SZ: Auf was muss man generell aufpassen, wenn man ins Gelände fährt?

Stiefel: Neben der Bremstechnik sollte man wissen: Die Arme sind meine zweiten Federbeine. Also nie durchstrecken und steif machen, sondern immer weich und elastisch bleiben. Bei technische Passagen, zum Beispiel bei Wurzeln, soll man aufstehen, dann kann man das Rad besser kontrollieren, man kann spielerischer agieren als im Sitzen.

SZ: Die meisten Bikes sind mit Stollenreifen ausgestattet. Ist das für den Durchschnittsradler sinnvoll, oder kosten die auf Teer mehr Kraft?

Stiefel: Stollen brauche ich in der Stadt nicht, da genügen normales Slicks. Die sind aber fürs Gelände nicht geeignet. Umgekehrt kann ich mit Stollenreifen schon in der Stadt fahren, das kostet nur mehr Kraft, weil die einen größeren Rollwiderstand haben. Ideal sind Semislicks, die haben an den Rändern Stollen und sind in der Mitte fast glatt.

SZ: Und nun die Frage aller Fragen: Fahren Sie immer mit Helm?

Stiefel: Ja, immer. Das ist kein Thema, gerade in der Stadt. Der Helm ist das allerwichtigste.

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