Prozesse per Videoschaltung:Verhandlungen Online

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Wer in Passau in Berufung geht, muss bald nicht mehr nach München reisen, sondern holt sich den Richter online auf den Bildschirm.

Ekkehard Müller-Jentsch

Moderne Zeiten brechen in der bayerischen Justiz an - jedenfalls auf technischem Gebiet. Nach einer erfolgreichen Testverbindung am Freitag zwischen dem Oberlandesgericht München und dem Landgericht Passau könnten nun Berufungsverhandlungen in Zivilverfahren auch per Videoschaltung geführt werden.

Frei nach dem Motto: Das Fernsehgericht tagt. Die Betonung liegt allerdings auf "könnten". Denn nun hängt es vor allem von den streitenden Parteien und ihren Anwälten ab, ob sie alle weiterhin nach altem Strickmuster in die Landeshauptstadt fahren und sich dort im Sitzungssaal 9 des Oberlandesgerichts München versammeln wollen. Oder ob sie doch das völlig Neue wagen und die mündliche Verhandlung online abhalten möchten.

Der 8.Senat des Oberlandesgerichts München ist für Berufungsverhandlungen des Passauer Landgerichtes zuständig. Von dort haben Kläger, Beklagte und ihre Anwälte stets eine zeitaufwendige Anreise - die geeignete Konstellation für einen Video-Pilotversuch. So wurde der Sitzungssaal 9 in den letzten Monaten mit mehreren Kameras, großen Monitoren vor und hinter der Richterbank sowie Mikrofonen an allen Tischen ausgerüstet.

Eigentumsstreitigkeiten via Video

Das Gericht in München kann auf Knopfdruck auch die Kameras in Passau steuern und etwa einen Beteiligten nah heranzoomen, um seine Mimik erkennen zu können.

In Passau sehen die Anwesenden das Gericht auf einem Bildschirm über dem leeren Richtertisch. Nur ein Wachtmeister sorgt dort für den störungsfreien Ablauf. Um denkbaren Hacker-Angriffen keine Chance zu geben, wird die Verbindung nicht über eine schnelle Internet-Leitung hergestellt, sondern abhörsicher über acht zusammengeschaltete ISDN-Telefonkanäle.

Rechtsgrundlage für die "TV"-Verhandlung ist Paragraf 128a der Zivilprozessordnung. Wenn alle Verfahrensbeteiligten zustimmen und sich der Fall dafür eignet, darf das Gericht diese Art der Prozessführung anordnen. So könnten auch Zeugen oder Gutachter angehört werden.

Darüber hinaus wird überlegt, ob die zuständigen Richter des Landgerichts MünchenI via Video über Wohnungseigentumsstreitigkeiten verhandeln könnten - aber das ist noch Zukunftsmusik. Passaus Gerichtspräsident Professor Michael Huber lobte die neue Technik als Zeitersparnis: Denn für Anwälte wie Gutachter gelte der Spruch "time is money". Und außerdem werde die Umwelt geschont, da niemand hin- und herreisen müsse.

Auch der Münchner "Pilot-Senat" zeigte sich mit der Testverbindung ziemlich zufrieden: Die Bilder liefen ruckelfrei, nur der Ton hatte einen kleinen Nachhall. Aber dieser leicht dramatisch wirkende Soundeffekt passt ganz gut zu dem 100 Jahre alten, ehrwürdigen Backsteingebäude an der Prielmayerstraße direkt neben dem Justizpalast.

© SZ vom 14.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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