Prozessbeginn:Mord an Patentanwältin

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Heute beginnt der Prozess gegen Rick T.. Der Arbeitslose hat eine Patentanwältin beraubt, vergewaltigt und erstochen. Die Polizei konnte ihn noch am Tag der Tat festnehmen.

Es gibt Verbrechen, die geschehen einfach so. Aus Zufall. Aus Versehen. Aus Zorn. Aus Unachtsamkeit. Andere Taten sind kühl geplant, folgen einer eigenen Logik, entwickeln Dramatik und Dynamik. Dann liegt da ein Mensch, tot, ermordet. Und ein anderer Mensch geht für sehr, sehr lange Zeit ins Gefängnis.

Es ist ein Zufall, dass die 39-jährige Patentanwältin Susanne T. am 19. Dezember 2005 den schnittigen roten Maserati mit dem Kennzeichen M-NT 3200 nimmt, um zur Arbeit zu fahren: Ihr Mann Stephan, ebenfalls Patentanwalt, ist mit diesem Wagen zum Flughafen gefahren, um eine Dienstreise anzutreten.

Doch erst im Terminal bemerkt er, dass er wichtige Unterlagen vergessen hat. Er ruft seine Frau an, die sucht die Unterlagen zusammen, nimmt ein Taxi zum Flughafen - und fährt mit dem Maserati zurück, zur Arbeit in ihre Kanzlei in Bogenhausen.

Letztlich geht alles schief

Nahe dem Ostbahnhof verlässt an diesem Morgen der 35-jährige Rick T. recht früh seine Wohnung in der Ampfingstraße. Als er gegen 6.30 aus der Haustür tritt, trägt er einem Rucksack bei sich, der merkwürdige Dinge enthält: eine Luftpistole, Kaliber 4,5 Millimeter; eine Wolldecke; Einweghandschuhe; Kabelbinder; und Klebeband.

Rick T. ist arbeitslos, die Polizei bezeichnet ihn später als "Kleinkriminellen": Ein paar Vorstrafen wegen Raub- und Diebstahlsdelikten, das Gefängnis kennt er auch schon von innen. Rick T. fährt, da sind sich Polizei und Staatsanwaltschaft sicher, nach Bogenhausen in die Struntzstraße und wartet in der Tiefgarage jener Anwaltskanzlei auf Susanne T.

Sein Plan, wie ihn die Ermittler glauben beweisen zu können: Susanne T. im Auto mit der Pistole bedrohen, sie dazu bringen, noch einmal nach Hause zu fahren, ihr den Fahrzeugbrief abnehmen, das Auto stehlen, um es hinterher scheinbar legal, mit Brief, für 100000 Euro verkaufen zu können. Aber letztlich geht alles schief.

Zunächst einmal klappt der Plan jedoch: Susanne T. fährt zurück nach Trudering, der Mann mit der Pistole auf dem Beifahrersitz. Elf Minuten dauert die Fahrt in die Damaschkestraße. Dort angekommen, zwingt T. sein Opfer ins Haus und fesselt sie mit den Kabelbindern an ein Wasserrohr im Keller. Dann durchsucht er die Handtasche und nimmt Bargeld und die EC-Karte an sich.

Der erste Rückschlag für Rick T.: Der Fahrzeugbrief ist nicht im Haus - das Auto ist auf die Kanzlei zugelassen, die Urkunde wird dort im Tresor aufbewahrt. Dann solle sie ihm die Pin-Nummer für die EC-Karte sagen - das tut Susanne T. auch, eingeschüchtert von den Drohungen und der Pistole.

Doch nun hat der Täter ein weiteres Problem: Ist es die richtige Nummer? Er verbindet der Frau den Mund mit Klebeband und fährt mit dem Maserati zu einer Sparkassenfiliale in Ramersdorf. Dort versucht er, am Geldautomaten 1000 Euro abzuheben - und scheitert.

Aber nicht, weil die Geheimnummer falsch gewesen wäre: Susanne T. war am Morgen bereits am Automaten gewesen und hatte 250 Euro abgehoben, mehr als 1000 Euro insgesamt am Tag sind nicht möglich. Rick T. geht zum Kontoauszugsdrucker und entdeckt auf dem Ausdruck den Fehler. Der Automat spuckt 750 Euro aus.

Sechs Stiche in den Brustkorb

Um 13.40 Uhr kehrt Rick T. in das Haus in Trudering zurück. Nun beginnt das, was die Anklageschrift "zweiter Tatabschnitt" nennt - was man aber auch Martyrium nennen könnte. Denn, so die Anklage, Rick T. hatte erkannt, "dass die schlanke und sportliche 39-jährige Geschädigte auch sexuell attraktiv war". Er bringt sie ins Schlafzimmer und fesselt sie bäuchlings auf das Bett. Dann vergewaltigt er sie mehrmals.

Danach geht er duschen. Unter der Dusche, so der Staatsanwalt, sei ihm bewusst geworden, dass Susanne T. ihn jederzeit identifizieren könne. Er versucht sie zu erwürgen, was nicht gelingt. Also holt er aus der Küche ein 20 Zentimeter langes Messer. Damit versetzt er der Frau sechs Stiche von hinten in den Brustkorb. Susanne T. verblutet und stirbt vermutlich gegen 14.30 Uhr.

Ihr Mann Stephan T. ist da bereits auf dem Heimweg. Am Flughafen wundert er sich, dass er seine Frau telefonisch nicht erreicht und sie auch nicht zur Arbeit in der Kanzlei erschienen ist. Er nimmt ein Taxi nach Trudering und bittet den Taxifahrer, mit ins Haus zu kommen. Dort machen die beiden Männer die grässliche Entdeckung. Das ist gegen 16.20 Uhr.

Um diese Zeit sitzt Rick T. im Auto - allerdings nicht in dem gestohlenen Maserati, sondern in einem Dienstwagen der Polizei. Der Maserati steht verbeult ein paar Meter daneben: An der Kreuzung Innsbrucker Ring/Rosenheimer Straße hat ihn Rick T. an einen Lichtmasten gesetzt. Er versuchte noch, zu Fuß zu flüchten, versteckte sich in einem Gebüsch, wird aber von den herbeigerufenen Polizisten gefunden. Sofort gibt er zu, dass er keinen Führerschein hat und ihm das Auto nicht gehört. Er wird wegen Unfallflucht festgenommen.

Die Beamten schreiben zusammen mit dem Unfallfahrer im Dienstwagen am Protokoll - da kommt über Funk die Meldung von dem Mord und dem verschwundenen Maserati. Josef Wilfling, Chef der Mordkommission, sagt später, Rick T. habe sofort "unumwunden" zugegeben, die Frau getötet zu haben.

Das ist die Version der Staatsanwaltschaft als Ergebnis dessen, was sie und die Polizei ermittelt haben. Rick T. erzählt die Geschichte naturgemäß anders: Er habe nämlich seit Wochen schon ein Verhältnis mit der Getöteten gehabt. Auch am Tattag habe man sich getroffen, bei ihr zu Hause, weil der Mann ja auf Dienstreise war. Zunächst erzählt Rick T., man habe sich den ganzen Tag über vergnügt.

Erst am Nachmittag sei es zu einem Streit gekommen, wegen einer Geschäftsidee. Im Verlauf dieses Streits habe er Susanne T. getötet. Später ändert er diese Aussage: Er habe mit Susanne T. auch Sado-Maso-Praktiken ausprobiert - am Tattag seien ihm die wohl "aus dem Ruder gelaufen".

Doch ist es ihm bislang nicht gelungen, einen Zeugen zu beschaffen, der auch nur eine Bekanntschaft zwischen ihm und seinem späteren Opfer bestätigen könnte. Und dass die erfolgreiche Patentanwältin sich mit dem vorbestraften Arbeitslosen eingelassen hat - das halten alle Beteiligten für höchst unwahrscheinlich. "Der Lebensstil des Opfers ist konträr zu den Aussagen des Täters", sagt wenige Tage nach der Festnahme Polizei-Sprecher Wolfgang Wenger.

Am heutigen Montag nun beginnt der Mordprozess gegen Rick T. Stephan T., der Ehemann, hat angekündigt, als Zeuge aussagen zu wollen, um das Bild seiner Frau zurechtzurücken, sollte der Angeklagte bei seiner Aussage bleiben. Es sind zunächst neun Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil soll am 1. März gesprochen werden.

© SZ vom 12.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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