Prozess wegen Bombenattrappen:Heide L. muss ins Gefängnis

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"Ich habe der Sache wohl mehr geschadet als ihr genützt": Weil sie Bombenattrappen in Zügen deponierte, muss die Frau mit dem IQ von 146 nun mehr als drei Jahre lang in Haft.

Alexander Krug

Das Publikum im Gerichtssaal scheint in seiner Meinung gespalten. "Das ist ein Witz", entfährt es einem Zuhörer, als er den Antrag von Verteidiger Andreas Fuchs hört. Nicht mehr als drei Jahre Haft fordert er für Heide L., die Frau, die mit insgesamt elf Bombenattrappen Sicherheitskräfte und Bevölkerung monatelang in Atem hielt.

Staatsanwältin Renate Dinkel fordert vier Jahre und neun Monate. Dies wiederum scheint jenen vorwiegend älteren Damen und Herren zu hoch, deren Sympathie der Angeklagten gehört, und die die Mehrheit im Saal bilden.

Heide L. selbst wirkt am zweiten Tag ihres Prozesses im Landgericht ein wenig geschockt. Ganz offensichtlich hat sie erst allmählich registriert, was sie angerichtet hat. "Ich hätte diese Form des Protests niemals wählen dürfen. Ich bin richtig erschrocken, nachdem mir hier noch einmal alles vor Augen geführt worden ist. Ich möchte mich in aller Form entschuldigen", sagt sie in ihrem Schlusswort. Und auch etwas anderes ist ihr klar geworden. "Ich habe der Sache wohl mehr geschadet als genützt."

Heide L. stammt aus dem thüringischen Saalfeld an der Saale. Dort schloss sie 1973 eine kaufmännische Lehre ab, danach erlernte sie den Beruf der medizinisch-technischen Assistentin. Nach der Wende kam sie 1990 nach München und arbeitete als Telefonistin. Mit einem IQ von 146 war sie in diesem Beruf deutlich unterfordert, ihre Leidenschaft galt politischen Themen, sie engagierte sich in der Friedensbewegung, galt dort aber laut polizeilichen Erkenntnissen eher als Einzelgängerin.

Besonders entrüstet war sie von der amerikanischen und israelischen Politik im Nahen Osten, aber auch vom Luftkrieg der Nato 1999 gegen Serbien. Für ihren Protest gegen diese Politik wählte sie zunächst noch die harmlose Form von Schmierereien.

Doch im August 2006 begann sie damit, selbstgebastelte Bombenattrappen in Zügen und Bahnhöfen zu platzieren. Die täuschend echt aussehenden Attrappen führten zu Evakuierungen, Absperrungen ganzer Bahnhöfe und stundenlangen Verspätungen im Zugverkehr. Jeder könne seine politische Meinung frei ausdrücken, so Staatsanwältin Dinkel, "aber das kann sich der Staat nicht bieten lassen".

Heide L. habe erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt und bewusst bestehende Ängste in der Bevölkerung für ihre Zwecke ausgenutzt. Kurz vor dem Beginn ihrer Serie waren zwei Libanesen festgenommen worden, die zwei echte Kofferbomben in Regionalzügen in Nordrhein-Westfalen deponiert hatten.

Schaden von 300.000 Euro

Anwalt Fuchs will den Fall nicht ganz so hoch gehängt wissen. Er spricht von einer "unausgegorenen Geschichte" und "blindem Aktionismus" seiner Mandantin, die über die Folgen nicht nachgedacht habe. "Sie hat jetzt begriffen, dass wir hier im Chaos leben würden, wenn es jeder so macht."

Der Anwalt legte dem Gericht auch eine Erklärung vor, derzufolge Heide L. knapp 20.000 Euro an Wiedergutmachung an die Bahn und die Münchner Stadtwerke für den Schaden durch ihre Schmierereien leisten wird. Damit sei ein großer Teil ihrer Alterssicherung weg, und auch nach einer Entlassung aus der Haft werde Heide L. "ein Leben lang mit den Folgen ihrer Tat belastet sein".

Auf rund 300.000 Euro wird der von ihr angerichtete Schaden geschätzt. Diese Summe wird sie wohl niemals abzahlen können, zumal ihr nach der Haft Arbeitslosigkeit droht. Das Gericht verurteilt Heide L. zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis. Sie habe als "Trittbrettfahrerin" der Kofferbomben-Anschläge bewusst Ängste geschürt und für sich ausgenutzt, so Richter Norbert Riedmann.

Mit Meinungsfreiheit oder Weltverbesserung habe ihr Vorgehen nichts zu tun. Strafmildernd berücksichtigt die Kammer das frühe Geständnis und den Umstand, dass letztlich keine Gefahr von den Attrappen ausging. Unter den Zuhörern ist es diesmal still. Die immerzu freundlich lächelnde Heide L. wirkt mitgenommen. "Wir sehen uns", verabschiedet sie sich von ihren Bekannten im Saal.

© SZ vom 31.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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