Prozess:Verstümmelt nach Routine-Operation

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Bei einer missglückten Operation verlor eine Frau Zehen und Finger. Die Klage gegen die Klinik blieg jedoch erfolglos.

Ekkehard Müller-Jentsch

Eine üblicherweise harmlose Nierenstein-Operation hatte bei einer jungen Münchnerin fatale Folgen: Bei dem Eingriff war es zu einer Infektion gekommen, die zu einem Multiorganversagen führte; die Frau fiel ins Koma - und als sie wieder erwachte, hatte man ihr - bis auf die beiden Daumen - alle Finger sowie sämtliche Zehen abnehmen müssen.

(Foto: Foto: dpa)

Für diese menschliche Tragödie forderte die Patientin 35.000 Euro Schmerzensgeld von der Uni-Klinik. Doch in erster Instanz war ihre Klage abgewiesen worden. Und am Donnerstag hatte auch die Berufung vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg.

Bei der Patientin waren die Nierenbeckensteine zu groß, als dass man sie mit Stoßwellen hätte zertrümmern können. Deshalb wurden die Steine endoskopisch zerstört und entfernt. Nach Meinung des vom Gericht beauftragten medizinischen Sachverständigen wurden dabei entweder Keime aus den Steinen oder aus Urin-Resten direkt in das Blutsystem eingeschwemmt: Die Frau erlitt einen septischen Schock, also eine schwere Blutvergiftung.

Nach Meinung des Gutachters wurde diese lebensbedrohliche Situation von den Ärzten aber rechtzeitig erkannt und behandelt. Sie entfernten der Frau sofort die rechte Niere, um den Ort der Infektion zu beseitigen. Dass Finger und Zehen abstarben, führt der Medizinexperte auf schockbedingte Durchblutungsstörungen, auf Mikro-Blutpropfen und die trotz allem notwendige Gabe von gefäßverengenden Medikamenten zurück. Die Ärzte hätten keine Fehler gemacht, stellte er fest, und ihre Patientin vor der Operation auch tadellos aufgeklärt - vor allem unter über dieses Infektionsrisiko.

Die Richter waren trotzdem mit einer schwierigen Frage konfrontiert: War die Frau damals psychisch überhaupt in der Lage, wirksam in die OP einzuwilligen? Denn sie leidet seit vielen Jahren an einer chronischen Psychose. Die Frau lebte zum damaligen Zeitpunkt in einer speziellen Wohngemeinschaft in Haar und steht inzwischen unter Betreuung.

Den Klinikärzten war diese Situation auch bekannt. Doch gab es aus damaliger Sicht der Mediziner keinerlei Anzeichen dafür, dass sich ihre Patientin in solch einem Akutstadium befinden könnte. Das versicherte am Donnerstag in der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht der Klinik-Urologe, der seinerzeit das Aufklärungsgespräch geführt hatte.

Bereits in erster Instanz hatte das Gericht festgestellt, dass der aufklärende Arzt und der Operateur nicht identisch sein müssen. Und in dem Aufklärungsbogen sei auch eindeutig darauf hingewiesen worden: "Extrem selten kann eine lebensbedrohliche Allgemeinvergiftung auftreten." Die Richter stellten dazu fest, dass es nicht darauf ankomme, ob die Patientin bei diesem Gespräch geschäfts-, sondern ob sie "einwilligungsfähig" gewesen sei. Mit anderen Worten: Ob sie alles verstanden hat, was ihr der Arzt darlegte, und ob sie diese Informationen richtig bewerten konnte.

Auch jetzt, vor dem OLG, betonte dieser Urologe, dass er über die Erkrankung der Frau informiert gewesen sei, dass ihm die Patientin aber aus seiner ärztlichen Sicht medikamentös gut eingestellt und gesundheitlich stabil erschienen sei. Das bestätigte auch eine Psychiaterin, die seit vielen Jahren diese Frau betreut und regelmäßig sieht: Die Betroffene habe damals sogar angestrebt, aus der betreuten Wohngemeinschaft auszuziehen, um eigenbestimmt leben zu können.

Der 1. Zivilsenat riet daraufhin der Frau, die Berufung zurückzunehmen, da sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Nach kurzer Beratung mit ihrem Anwalt willigte die Frau ein (Az.:1U3409/08).

© SZ vom 23.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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