Prozess um Polizisten:Abgedreht im Fitness-Wahn

Lesezeit: 2 min

Er wollte aussehen wie Popeye und in eine Spezialeinheit aufgenommen werden. Dafür tat ein Polizeibeamter alles - und rutschte in die kriminelle Szene ab.

Ekkehard Müller-Jentsch

Sport ist Mord, genau gesagt beruflicher Selbstmord: Ein Münchner Polizist verspielte im Fitness-Wahn seinen Beamtenjob. Der Mann, der zum Schluss eine Figur wie Popeye der Seemann hatte, wollte unbedingt in eine Spezialeinheit aufgenommen werden. Dafür tat der frühere Fallschirmjäger alles.

Zum Schluss half er auch mit Anabolika nach - bis ihn diese Muskelpillen buchstäblich in den Wahnsinn trieben. Dazu geriet der Sportverrückte im Fitness-Studio in schlechte Gesellschaft: Ein Kokain-Kurier erschlich sich sein Vertrauen und "zapfte" ihn an.

Weil der Polizist bei einem Gefälligkeitsdienst unbemerkt in eine Undercover-Ermittlung platze, flog die Sache auf. Der Polizeiobermeister wurde jetzt durch das Verwaltungsgericht aus dem Dienst entfernt.

Der heute 30 Jahre alte Mann war in ziemlich rustikalen Familienverhältnissen groß geworden. Dem Vater, einem Waldarbeiter, konnte er nichts recht machen, der vergötterte ältere Bruder war an Heroinsucht elend zugrunde gegangen. Da wollte es der Jugendliche allen zeigen, nahm sich einen bekannten Ringer als Vorbild und begann wie von Sinnen zu trainieren.

Die ganz harten Jungs

Bei der Bundeswehr meldete er sich freiwillig zu den ganz harten Jungs einer Luftlandeeinheit. Später sollte es dann zu einem Spezialkommando der Polizei gehen. Zu den Kollegen seiner Münchner Polizei-Inspektion fand der Mann kaum Kontakt. Diese sozialen Defizite versuchte er abzutrainieren.

Mindestens zweimal am Tag ging es in die "Muckibude", selbst spät nachts quälte er sich noch mit Gewichten und Kraftmaschinen. Dazu legte er diverse Leistungsnachweise in Leichtathletik sowie im Schwimmen ab und erwarb außerdem einen schwarzen Nahkampf-Gürtel.

Bei diesen Aktivitäten lernte er einige gleichermaßen sportfanatische Burschen kennen, die bei einem Sicherheitsdienst als Türsteher für eine Diskothek arbeiteten. Mit denen ging er mit, half ihnen gelegentlich bei den Einlasskontrollen und verliebte sich bei diesen vielen Lokalbesuchen auch noch in ein Gogo-Girl.

Weil er über seine neuen Bekannten Dunkles aus der Vergangenheit gehört hatte, überprüfte er sie im Polizeicomputer. Bei einem stellte sich heraus, dass er wegen Körperverletzung vorbestraft war, der andere, ein Albaner, kam aus der berüchtigten Frankfurter Hütchenspiel-Szene.

Der Polizist fand jedoch nichts Schlimmes dabei. Er blieb auch arglos, als ihm der frühere Zocker per SMS ein Autokennzeichen schickte und um eine Halterabfrage bat. Der Polizist sagte jetzt vor dem Verwaltungsgericht, dass er einen Gebrauchtwagenhandel vermutet und sich daher nichts Böses gedacht hatte.

Später stellte sich heraus, dass der vermeintliche Freund Kokain-Kurier einer albanischen Dealerbande war und der Wagen, für dessen Halter er sich interessierte, einem V-Mann der Kripo gehörte.

Die nun aufgescheuchten Drogenfahnder veranlassten sofort eine Hausdurchsuchung bei dem Kollegen. Dort fanden sie verbotene Butterfly-Messer und einen ganz besonders brutal aussehenden Schlagring mit Dornenbesatz. Zudem wurden Kokain-Anhaftungen an kleinen Plastikbeuteln entdeckt.

Im Übrigen stellte sich heraus, dass der Polizeiobermeister neben anabolen Steroiden auch noch Aufputschtabletten nahm. Vor Gericht musste der Beamte zugeben, durch die Pillencocktails damals zeitweilig völlig die Kontrolle über sich verloren zu haben. Der Polizist musste sich anschließend mehrmals in den Entzug begeben und ist bis heute auf therapeutische Hilfe angewiesen.

Trotz seiner Beteuerung, inzwischen ein anderer Mensch geworden zu sein, will ihn das Polizeipräsidium nicht einmal mehr im Innendienst beschäftigen. Auch die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts stellte fest, dass das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn irreparabel zerstört sei (Az: M 19 D 06.3363).

© SZ vom 11.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: