Prozess um Boris Beckers Mutter:Unter dem Deckmantel des Mitgefühls

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"Sie kann nicht mal zum Bäcker gehen, ohne gefragt zu werden, ob sie was getrunken hat": Eine Illustrierte hat Boris Beckers Mutter als Alkoholikerin hingestellt. Sie muss nun 40 000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Elvira Becker, die Mutter des Wimbledon-Champions Boris, hat am Mittwoch vor dem Landgericht München I ihre Ehre verteidigt. Sie war in einem Artikel der Illustrierten Freizeitwoche vom Februar so beschrieben worden, dass Leser den Eindruck gewinnen konnten, die 71-jährige Witwe sei Alkoholikerin. Die Pressekammer sprach ihr deshalb 40 000 Euro Schmerzensgeld zu.

"Sie ist eindeutig in nicht hinzunehmender Weise als Alkoholikerin hingestellt worden", meinte der Vorsitzende Richter Thomas Steiner nach der Lektüre des umstrittenen Zeitschriftenberichts. Das müsse sie sich auch nicht als Prominente, also als Mutter eines weltbekannten Tennisspielers, gefallen lassen.

Der Gärtner war's

Unter der Überschrift "Boris Becker - Wann hilft er endlich seiner verzweifelten Mutter?" hatte die Illustrierte einen ominösen Gärtner aus der Nachbarschaft zitiert, der sich über "Leergut aus dem Bereich der konzentrierten Getränke" ausließ und über trostspendende "kräftige Schlucke" sinnierte.

Das Blatt beschrieb Elvira Becker allgemein als eine einsame Frau, die seit dem Tode ihres Mannes Karl-Heinz 1999 selbst Weihnachtsfeste alleine ihrer Leimener Villa, "einer Trutzburg mit vergitterten Fenstern und Videoüberwachung", verbringen müsse und sich auch nicht als Oma einbringen dürfe.

"Unter dem Deckmantel von Mitgefühl und Fürsorge" begehe die Zeitschrift hier eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, stellte das Gericht fest. Derartiges sei nur durch immateriellen Schadenersatz in beträchtlicher Höhe zu kompensieren.

Die Anwältin der aus dem Bauer-Verlag stammenden Illustrierten hatte die Vorwürfe zurückgewiesen: Der Artikel betreffe vorwiegend Boris Becker. Und man habe auch nur die Eindrücke des Gärtners aus der Nachbarschaft wiedergegeben.

Dass nur der Gärtner zitiert werde, entlaste das Blatt nicht, stellte daraufhin das Gericht fest - Frau Becker werde als Säuferin abgestempelt. "Sie kann nicht mal zum Bäcker gehen, ohne gefragt zu werden, ob sie was getrunken hat", sagte dazu Becker-Anwalt Georg Stock. Seine Mandantin verlange den immateriellen Schadenersatz als Lehre dafür, dass derartiges nicht geschehen dürfe.

Der Anwalt hatte in seiner Klage einen Betrag in Höhe von mindestens 50000 Euro in den Raum gestellt. Denn das Blatt habe in Rundfunk- und Fernsehwerbung für diesen Artikel auch noch Reklame gemacht - das müsse sozusagen erschwerend angerechnet werden.

Die Bauer-Anwältin bestritt dies: In der Werbung sei zwar von einem erschütternden Drama um Boris Beckers einsame Mutter die Rede gewesen, von irgendwelchen Hinweisen auf Alkohol wisse sich jedoch nichts. Den Werbe-Aspekt hielt das Gericht jedoch nicht für relevant und konzentrierte sich mit seinem 40 000-Euro-Urteil allein auf die in dem Artikel erhobenen Behauptungen.

Das Urteil (Az.:9O2512/07) ist noch nicht rechtskräftig. Die Bauer-Anwältin will umgehend Berufung beim Oberlandesgericht München einlegen.

© SZ vom 15.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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