Prozess:Pornos statt Parksünder

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Statt nach Falschparkern zu fahnden, druckte ein Beamter auf dem Dienstcomputer lieber Sado-Maso-Pornos aus oder erschien gleich gar nicht zum Dienst. Jetzt droht ihm die Entlassung.

Ekkehard Müller-Jentsch

Viele Raser und Parksünder, die in den letzten Jahren zwar ertappt wurden, aber auf wundersame Weise von einer Geldbuße verschont geblieben sind, müssten sich eigentlich bei einem Verwaltungshauptinpsektor im städtischen Kreisverwaltungsreferat bedanken.

Diesem Beamten war sein Dienst in der Bußgeldstelle zeitweilig derartig gleichgültig, dass er reihenweise die Verkehrssünderakten im Schreibtisch verschwinden ließ.

Statt sich mit Halterermittlungen und Einsprüchen zu befassen, druckte der heute 40-Jährige lieber Sado-Maso-Pornos aus oder erschien gleich gar nicht zum Dienst. Gestern musste sich der Beamte vor einer Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts verantworten.

Die Richter der 19. Kammer schoben zu Beginn der Verhandlung einen mit Ordnern vollgestopften Aktenwagen herein. Auf dessen Inhalt mussten sie dann aber, sichtlich zur Erleichterung der Vorsitzenden, nicht näher eingehen. Denn der Beamte räumte von sich aus ein, an seinem Dienstcomputer insgesamt mindestens 56 Stunden und 54 Minuten durch die schmuddligen Ecken des Internets gesurft zu sein.

28 000 Euro entgangene Bußgelder

Vor allem Online-Seiten mit Brutalsex hatte es ihm angetan: 3096 Ausdrucke mit einschlägigen Fotos fanden die Vorgesetzten, als sie seinen Schreibtisch durchsuchten.

Bei dieser Gelegenheit machten sie eine weitere Entdeckung: 2176 teilweise oder gänzlich unbearbeitete Akten ruhten gleichfalls in den Schubladen des Hauptinspektors. Nach und nach stellte sich heraus, dass diese Aktengruft die Stadt rund 28 000 Euro an entgangenen Bußgeldern kostet. Vertreter der Stadt beantragten gestern bei Gericht, diesen Beamten aus dem Dienst zu entfernen.

Dazu mochten sich aber die Richter nicht so rasch entschließen. Denn im Laufe der Verhandlung stellte sich heraus, dass der Beschuldigte in erster Linie womöglich psychisch krank ist. Der Mann schilderte eindrucksvoll, wie er seit seiner Kindheit unter Depressionen und Kontaktarmut leidet.

"Ich bin auch kein Frühaufsteher" sagte er. Pünktlich um spätestens 9.30 Uhr zum Dienst zu erscheinen, gelinge ihm erst seit wenigen Monaten. "Zu spät zu kommen, war für mich lange Zeit normal."

Dass ihn seine Vorgesetzten dafür gerüffelt haben, "hat mich nicht besonders interessiert". Und abends wollte er oft nicht heim zu seiner Mutter gehen und sei lieber bis morgens um fünf Uhr im Büro geblieben. In dieser Zeit sei das Sex-Surfen für ihn zur Sucht geworden.

Besinnungslos im U-Bahnhof

Der Mann räumte auch ein, sich immer öfter mit Alkohol zugeschüttet zu haben. Dann sei es auch schon vorgekommen, dass er besinnungslos in einem U-Bahnhof gelegen habe. Als normalen Alkoholkonsum habe er bis zu acht Halbe Bier am Tag betrachtet.

In den schlimmen Phasen sei aber auch tagelang "durchgesoffen" worden. Manchmal sei er aus der Kneipe ins Amt gewankt um sich einen Tag Urlaub zu nehmen und habe anschließend weiter getrunken.

Nachdem alles aufgeflogen war, hatte sich der Beamte aber in einer Klinik entgiften lassen und dann zwei Therapien gemacht. Die erste sei zwar ohne Erfolg geblieben, weil ihn der Therapeut "nicht in den Hintern getreten" habe.

Seit der zweiten Therapie fühle er sich besser, nehme regelmäßig seine Psychopharmaka und überlege, sich den Anonymen Alkoholikern anzuschließen oder eine weitere Therapie zu machen.

Das Gericht setzte gestern die Verhandlung aus und will ein psychologisches Gutachten über die Zukunftsaussichten des Beamten einholen. Sollte dieses positiv ausfallen und er sich zudem am Arbeitsplatz bewähren, könnte der Mann, deuteten die Richter an, mit einem blauen Auge davon kommen.

© SZ vom 30.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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