Prozess in München:Streit um "Schweine-Journalismus"

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Erpresst die Bild-Zeitung Promis mit Telefonterror? Kult-Moderatorin Charlotte Roche erhebt Vorwürfe - die Bild klagt.

Ekkehard Müller-Jentsch

Axel Springer sagte mal, er leide manchmal wie ein Hund, wenn er seine Zeitungen lese. Damit meinte er Bild. In München wird derzeit ein Rechtsstreit zwischen Europas größter Boulevardzeitung und der Illustrierten Stern geführt, zu dem dieses legendäre Zitat perfekt passt.

Kult-Moderatorin Charlotte Roche liegt im Clinch mit der Bild. Der Stern berichtete darüber. Bild reagiert mit einer Unterlassungsklage. (Foto: Foto: dpa)

Im Mittelpunkt des Prozesses vor dem Landgericht München I stehen Vorgänge, die gestern der Vorsitzende Richter der Pressekammer kurz und bündig "Schweine-Journalismus" nannte. Der Stern hatte die Bild-Redaktion vor knapp einem Jahr an den Pranger gestellt: In einem "Außer Kontrolle" betitelten Bericht wurde das Boulevard-Blatt unter anderem bezichtigt, Prominente unter Druck zu setzen. Der Springer-Verlag weist solche Anschuldigungen, die Branchenkenner auch als "Vendetta-Journalismus" bezeichnen, energisch zurück, verlangt eine Unterlassungserklärung.

"Abschuss" nach Familienunglück

Konkret geht es um Vorgänge, die die Fernsehfrau Charlotte Roche erlebt haben will. Mag der Name der Grimme-Preis-Trägerin älteren Fernsehzuschauern kaum geläufig sein: Für Jugendliche sind ihre Auftritte beim Musiksender Viva, bei Pro Sieben oder Arte Kult.

Im Stern-Bericht heißt es, die damals 23-Jährige wollte im Sommer 2001 in London heiraten, da verunglückt ein Teil ihrer Familie auf der Fahrt zur Hochzeit mit dem Auto - ihre Mutter wird schwer verletzt, drei Brüder sterben. Schon der zweite Anrufer nach dem Unglück sei ein Bild-Reporter gewesen, mit dem sie aber nicht reden wollte.

Was folgte, sei "Telefonterror" gewesen. Später sei einem Paparazzo ein "Abschuss" gelungen: Roche hatte neben ihrem Freund gestanden und gelacht. Ein weiterer Anrufer von Bild habe dann wissen lassen, ohne Interview mit Charlotte würde das Blatt dieses Foto und eine Geschichte bringen, die ihr nicht gefallen würde. Springer-Anwalt Professor Jan Hegemann nennt diese Darstellung falsch und für Bild "verheerend". Das Gericht machte gestern klar, dass es keine Gründe habe, an der Roche-Schilderung zu zweifeln.

Trittbrettfahrer unwahrscheinlich

"Aber wer sagt uns, dass die Anrufer tatsächlich von Bild waren", fragte der Vorsitzende Thomas Steiner. Es sei nicht auszuschließen, dass etwa freie Reporter unter der Flagge des Blattes segelten. Stern-Anwalt Helmuth Jipp musste einräumen, dass die Anrufer tatsächlich nicht identifiziert werden konnten. Er hält es sei doch für unwahrscheinlich, dass acht Trittbrettfahrer sich nacheinander ausgerechnet auf Bild berufen würden.

Angesichts der "nicht zwingenden" Beweislage schlug das Gericht einen Kompromiss vor: Der Stern dürfe zwar schreiben, dass sich die Anrufer als Bild-Reporter ausgegeben hätten - aber nicht, dass sie es auch tatsächlich gewesen seien. Die Verlage haben nun bis zum 10. November Zeit, diesem Vergleich zuzustimmen, andernfalls wird am 22. November ein Urteil verkündet.

© SZ vom 24.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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