Prozess gegen US-Tourist:Fausthieb an der Bar

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Er soll einem Fitnesstrainer einen so heftigen Faustschlag verpasst haben, dass dieser bewusstlos vom Barhocker fiel und mit dem Kopf auf den Boden knallte. Nun steht der 35-jährige US-Tourist wegen Mordversuchs vor Gericht. Der Amerikaner behauptet, dass alles nur ein Versehen war.

Christian Rost

Dass Staatsanwalt und Verteidiger einen Fall unterschiedlich bewerten, liegt an ihrer Aufgabenverteilung. Dass man denselben Fall aber aus so unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann wie den des US-Amerikaners Daniel J., ist eher selten. Der 35-Jährige muss sich seit Montag vor dem Schwurgericht verantworten - wegen versuchten Mordes, wie Staatsanwalt Benjamin Lenhart feststellte. Oder war es gar kein Mordversuch? Verteidiger Steffen Ufer jedenfalls malte von der blutigen Auseinandersetzung im Mai 2011 in der Kultfabrik ein Bild aus Missverständnissen, Angst und falscher Notwehr.

Der New Yorker Daniel J. hatte sich als Tourist in München aufgehalten und war dabei nach eigenen Angaben in Begleitung eines an Depressionen leidenden Landsmannes. J. habe den 28-jährigen Freund zu der Reise eingeladen, "um ihn an ein normales Leben zu gewöhnen", so Ufer in einer Erklärung für seinen Mandanten. In München gaben sich die beiden Männer dann dem Nachtleben hin.

Nachdem sie schon zwei Nächte durchgefeiert hatten, zogen J. und sein Schützling am Abend des 27. Mai 2011 erneut los. Nach dem Hofbräuhaus ging es ins Irish Pup am Dom und dann durch diverse Kneipen in der Kultfabrik. Um einige Bekanntschaften reicher und um die Zeche von 15 Halben Bier und ein paar Kurzen ärmer, so jedenfalls die Rechnung bei J., landete man gegen 5 Uhr in der Mangosbar. Über das Geschehen in dieser Lokalität auf dem Partyareal gehen die Sichtweisen von Anklage und Verteidigung völlig auseinander.

Staatsanwalt Lenhart geht davon aus, dass der als Tauchlehrer und Sicherheitsmann in den USA tätige Angeklagte "in extrem aggressiver Verfassung" auf der Suche nach einem Opfer gewesen sei, das er mit "Schlägen, Gegenständen und Tritten erheblich verletzen wollte". Dabei suchte sich J. offenbar einen besonders kräftigen Gegner. So soll er sich von schräg hinten einem auf einem Barhocker sitzenden Fitnesstrainer genähert haben und ihm grundlos einen Faustschlag versetzt haben.

Der überaus muskulöse 53-Jährige verlor infolge des Schlags das Bewusstsein und fiel mitsamt Hocker um. Mit dem Hinterkopf prallte der Mann am Boden auf, woraufhin ihm J. noch einen wuchtigen Tritt versetzt habe. Der Angeklagte soll zudem mit einem Barhocker in Richtung des Opfers geschlagen haben. Der Bodybuilder erlitt eine Gehirnblutung und musste in einer Notoperation gerettet werden.

Laut Verteidigung war es zu der Attacke nur deshalb gekommen, weil sich J. und sein Schützling in die Mangosbar geschlichen hatten. Der depressive Amerikaner hatte Sandalen an, weswegen er zuvor abgewiesen worden war. In der Bar soll der übermüdete Daniel J. dann den Fitnesstrainer versehentlich als Türsteher identifiziert und von ihm eine Abreibung erwartet haben. Der Angeklagte habe dem Opfer deshalb möglicherweise einen Schlag versetzt, so Ufer.

"Mit diesem Ergebnis" habe J. aber "nicht gerechnet". Den Barhocker habe er nur über seinem Kopf geschwungen, um die Umstehenden auf Abstand zu halten. Und von einem absichtlichen Tritt gegen den Körper des Fitnesstrainers kann nach Darstellung des Verteidigers keine Rede sein: Mit dem "leicht beschuhten Fuß" habe J. das Opfer allenfalls "versehentlich im Kopfbereich" erwischt.

Die Amerikaner flüchteten mit einem Taxi ins Hotel und reisten zwei Tage später aus München ab. Die Polizei konnte J. als mutmaßlichen Täter mit Videobildern aus der U-Bahn identifizieren. Als er im darauffolgenden Oktober auf Hochzeitsreise erneut in Europa war, wurde er am Flughafen in Barcelona festgenommen. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 13.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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