Prozess durch die Instanzen:Gymnasiallehrer vergreift sich an Zehnjährigem

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Seit vier Jahren kämpft ein pädophiler Pädagoge vor Gericht um ein mildes Urteil, jetzt bekommt er Bewährung.

Alexander Krug

Angefangen hatte alles in einem Freibad in Peißenberg im Sommer 1989. Im Kinderbecken suchte Wolfgang K. die Nähe zu dem damals zehn Jahre alten Hans H. (Name geändert). Spielerisch gewann er in der Folgezeit das Vertrauen des Kindes und dessen Eltern, so dass der Junge schließlich nicht nur bei ihm in München übernachten, sondern auch noch mit ihm in den Urlaub fahren durfte.

Akten im Gerichtssaal. (Foto: Foto: AP)

Die Eltern schöpften keinerlei Verdacht, zumal Wolfgang K. Lehrer an einem Münchner Gymnasium war. Erst Jahre später wurde offenkundig, dass er den Jungen über lange Zeit hinweg sexuell missbraucht hatte. Als wäre das nicht genug, folgt dem Missbrauch seit vier Jahren ein quälender Prozess durch die Gerichtsinstanzen.

Wolfgang K. ist heute 56 Jahre alt und eigenen Angaben zufolge seit August 2003 vom Schuldienst "suspendiert und im Krankenstand". Damals wurden die Vorwürfe bekannt, im April 2004 wurde er dann erstmals verurteilt. Wegen 70 Fällen des sexuellen Missbrauch von Kindern bekam er drei Jahre Haft. Es war seinerzeit ein bizarrer Auftritt, der Pädagoge ließ sich zur Verhandlung von Bodyguards begleiten und verweigerte jede Aussage.

In der Berufung reduzierte das Landgericht im April 2005 die Strafe um ein halbes Jahr. Strafmildernd wurde berücksichtigt, dass der pädophile Lehrer "keinen Zwang oder Drohungen" ausgeübt habe. Doch auch dieses Urteil wollte Wolfgang K. nicht akzeptieren.

Er legte Revision beim Oberlandesgericht (OLG) ein, und das kassierte die Entscheidung. Begründung: Die Anzahl der 70 Missbrauchsfälle sei "nicht hinreichend konkretisiert" worden. Die bloße "Übernahme der Schätzung" des Opfers reiche "ohne nähere Spezifizierung" nicht aus. Letztlich seien nur vier Fälle ausreichend belegt.

Der Fall ging wieder zurück ans Landgericht. Hier kritisierte Richter Klaus-Peter Jörg die Entscheidung der OLG-Richter am Mittwoch als wenig hilfreich. "Das ist sicher kein Meilenstein", meinte er lapidar. Zumal dass OLG selbst dargelegt hatte, dass es "weit mehr" als vier Fälle gegeben haben müsse.

60 bis 80 Mal missbraucht

Dies bestätigte erneut auch das Missbrauchsopfer Hans H. Der heute 27-Jährige musste bereits zum dritten Mal als Zeuge vor Gericht aussagen. "Wir hätten Ihnen das gerne erspart", meinte der Richter. Aber leider könne oder wolle sich der Angeklagte nicht an einzelne Fälle erinnern. Lehrer Wolfgang K. ließ zwar über seinen Anwalt Jochen Uher einräumen, sich damals "falsch verhalten" zu haben. Doch "irgendwelche Zahlen" wolle er nicht nennen.

So musste sich also Hans H. erneut peinigenden Fragen stellen. Der junge Mann konnte nach so vielen Jahren auch nur noch eine "Schätzung" abgeben. Etwa 60 bis 80 Mal sei er in den Jahren 1990 bis 1993 missbraucht worden. Er habe sich dafür jahrelang "sehr geschämt" und zurückgezogen gelebt. Inzwischen habe er "diese Phase" aber überwunden und er nehme die "Geste" des Angeklagten an. Dieser hatte sich im Vorfeld des Prozesses entschuldigt und im Rahmen eines sogenannten Täter-Opfer-Ausgleichs eine vierstellige Summe an Hans H. bezahlt.

Verteidiger Jochen Uher hielt im Hinblick auf diese Entwicklung eine Bewährungsstrafe für ausreichend. Dieser Ansicht war auch Richter Jörg. Er verurteilte Wolfgang K. zu zwei Jahren Haft mit Bewährung. Als Auflage muss er 5000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen.

Die Kammer ging nur von vier Fällen des sexuellen Missbrauchs aus, andere seien, so der Richter, bereits verjährt. Der Staatsanwalt hatte eine Vollzugsstrafe von zweieinhalb Jahren gefordert. Vermutlich wird er nun Revision beim OLG einlegen. Und dann könnte dieser nicht enden wollende Prozess in eine neue quälende Runde gehen.

© SZ vom 22.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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