Prozess:Die seltsamen Methoden des CSU-Nachwuchses

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Konspirative Treffen, Kopfgeld-Prämien, Namenslisten: Zeugen bestätigen Machenschaften im Machtkampf

Von Berthold Neff

Was muss man alles tun, um in der CSU Karriere zu machen? Ist es nötig, mit 100 Euro pro Kopf Mitglieder anzuwerben, mit denen man sich am Abend der wichtigen Ortsvorstandswahl konspirativ trifft? Muss man solche Kurzzeit-Mitglieder dann in einer kalten Februarnacht zum Wahllokal kutschieren und mit ihnen so lange draußen warten, bis einem mitgeteilt wird, dass ihre Stimmen benötigt werden? Man muss es offenbar.

Am zweiten Tag des Prozesses gegen die einstigen CSU-Hoffnungsträger Christian Baretti und Rasso Graber sowie gegen drei weitere Angeklagte bestätigten drei Zeugen, dass der CSU-Nachwuchs in Perlach genau nach dieser Methode vorging, um den Landtagsabgeordneten Heinrich Traublinger bei der Ortsvorstandswahl am 5. Februar im "Leiberheim" zum Sieg zu verhelfen.

Gegen Strafgesetze wurde dabei nur insofern verstoßen, als einer der Angeklagten, nämlich Maximilian J., drei CSU-Aufnahmeanträge der Familie L. fälschte, weil er die Originalanträge nicht mehr finden konnte. Maximilian J. hat dies bereits am ersten Prozesstag eingeräumt. Gestern kam aber auch heraus, wie eifrig er zusammen mit dem früheren JU-Chef Rasso Graber vor und nach dieser Wahl agierte.

Ingeborg L. sagte aus, sie und ihr Sohn Tobias hätten für die Wahl Traublingers (bei der die Mitangeklagte Stephanie L. zur stellvertretenden Ortsvorsitzenden avancierte) eine Liste mit jenen Namen bekommen, für die sie stimmen sollten. Die getippte Liste, so erinnerte sich die Frau, wurde ihr vermutlich von Graber überreicht, wozu dieser gestern nicht Stellung nahm.

Maximilian J. jedenfalls versicherte, er habe mit einer solchen Liste nichts zu tun. Er sorgte aber dafür, dass die Familie L. bei der CSU-internen Untersuchung der Vorgänge nicht aussagen musste. Er bat Ingeborg L. auch um jenes Schreiben, wonach sie "aus freien Stücken in die CSU eingetreten" sei, während seine Mutter jenen Brief formulierte und zur Unterschrift vorbeibrachte, mit dem sich Ingeborg L. beim CSU-Schiedsgericht entschuldigte.

Acht der neun Zeugen, die gestern gehört wurden, gerieten schuldlos in die CSU-Affäre. Der Angeklagte Oliver M. hatte ihre CSU-Aufnahmeanträge gefälscht und dafür Daten benutzt, die aus dem Computer einer Versicherung stammten.

Im Übrigen schmetterte Richterin Petra Axhausen den Antrag ab, die Verfahren gegen Maximilian J. und Oliver M. (von denen Teilgeständnisse vorliegen)abzukoppeln. Das kommt der Staatsanwaltschaft entgegen, die den fünf Angeklagten gemeinschaftliche Urkundenfälschung vorwirft. Christian Baretti freilich gab sich gestern unbeeindruckt: Er studierte meist seine auf gelben Karteikarten notierten Italienisch-Vokabeln.

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