Private Tagesstätten:Vorschriften, die Kinder aus dem Paradies vertreiben

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Parkplatznachweis, Blitzableiter, Feuerschutz: Für private Tagesstätten bedeuten solche Forderungen das Ende.

Janek Schmidt

Hinter feuerroten Geranien glänzt der Spielzeugbagger. Ein Mädchen planscht in einer Wanne mit Wasser, und ein paar fußballbegeisterte Kinder spielen das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien nach.

Barbara von Petz muss nach fast 40 Jahren ihren privaten Kindergarten schließen, weil sie die behördlichen Auflagen nicht finanzieren kann. (Foto: Foto: SZ / Hess)

Dieses Bild aus dem privaten Kindergarten in der Hohenlohestraße wirkt wie ein Paradies zum Spielen - und tatsächlich ist der Zustand sogar allzu paradiesisch, denn auch hier droht die Vertreibung.

"Bis zum Schulende werden wir noch weitermachen, aber dann ist Schluss, dann werde ich den Kindergarten zumachen müssen", sagt Barbara von Petz, "die Auflagen von der Stadt kann ich einfach nicht mehr erfüllen."

Seit 1963 wird das Privatanwesen in der Hohenlohestraße zum Teil als Kindergarten genutzt. Barbara von Petz begann vor knapp 40 Jahren, sich dort um die Kinderbetreuung zu kümmern. Nach dem Tod der Wohnungseigentümer kaufte sie schließlich das Haus mit Hilfe ihrer Familie, um die Aufsicht der Kinder dort zu erhalten - eine Aufgabe, die in den vergangenen Jahren immer schwieriger wurde.

"Erst kamen Vertreter der Lokalbaukommission und verlangten, dass wir Parkplätze vor dem Haus einrichten", erzählt von Petz, "obwohl es doch schon eine Einfahrt zum Parken gibt, und die Kinder sowieso fast alle mit ihren Dreirädern kommen."

Mit juristischer Hilfe konnte die Forderung damals abgeschmettert werden. Doch nach einer weiteren Kontrolle von Mitarbeitern des Stadtplanungsreferats erhielt von Petz eine Anweisung, die letztlich das Aus für den Kindergarten bedeutet: Das Haus benötige eine Blitzschutzsicherung für etwa 3000 Euro.

Die Besitzerin traf diese Vorschrift wie - eben - ein Blitz: "Der Kindergarten liegt doch zwischen einem siebenstöckigen Hochhaus und den Freiluftschwimmbecken im Dantebad", sagt sie, "und seit das Haus vor 70 Jahren gebaut wurde, hat der Blitz hier noch nie eingeschlagen." Die Lokalbaukommission haben diese Argumente jedoch nicht überzeugt, und nachdem von Petz eine Blitzschutzanlage nicht bezahlen konnte, wird der Kindergarten in einer Woche geschlossen.

Das Ende der 43 Jahre alten Einrichtung in der Hohenlohestraße ist für einige Beteiligten ein schwerer Schock, doch auch andere Kindertagesstätten müssen nach noch längerem Bestehen ihre Tore schließen. So wird der traditionsreiche Maria-Ward-Kindergarten, der seit immerhin 1853 existiert, ebenfalls in diesem Sommer seine 50 Betreuungsplätzen auflösen.

Auch dort sind städtische Anforderungen - zusammen mit dem Ausscheiden einer langjährigen Betreuerin - die Ursache für die Schließung. "Wir konnten die Brandschutzauflagen nicht mehr erfüllen, weil die nötigen Umbauten mit dem Denkmalschutz nicht in Einklang zu bringen waren", erzählt Schwester Jutta, Oberin der Einrichtung.

Im Gegensatz zu Privatkindergärten werden Tagesstätten von Elterninitiativen nicht von einzelnen Personen, Ordensgemeinschaften oder Verbänden, sondern von Elternvereinen betrieben. Die Schwierigkeiten, auf die die Eltern dabei stoßen, sind jedoch oft dieselben.

"Für uns war anfangs das Hauptproblem, geeignete Räume zu finden", erzählt Lena Richter von der Elterninitiative "Mausegarten". "Und jetzt, wo der Kindergarten seit kurzem läuft, wissen wir nicht, wie viel Fördergeld wir von der Stadt bekommen, weil der Antrag zur Nutzungsänderung unserer Räume noch nicht genehmigt ist."

Für diesen Antrag verlangt die Lokalbaukommission (LBK), dass im Mausegarten ein Durchbruch vom Keller nach draußen, ein zusätzlicher Hinterausgang und eine Feuerschutztüre installiert werden. Zudem muss auch dort das Gebäude mit einer Blitzschutzvorrichtung ausgestattet werden.

Die Kosten für den Umbau haben Architekten auf 22 000 Euro veranschlagt, von denen die Stadt nach entsprechenden Anträgen eventuell einen Teil übernimmt. "Es ist doch hirnrissig, dass die Stadt einerseits teure Umbauten fordert und sie dann mit viel Verwaltungsaufwand zurückerstattet, anstatt einfach Kindergartenplätze zu schaffen", klagt Richter.

Dabei haben auch die Mitarbeiter der LBK im Stadtplanungsreferat nur bedingte Entscheidungsfreiheit. Als zuständige Instanz für die Genehmigung von Nutzungsänderungen können sie lediglich die Einhaltung der bayerischen Bauordnung überprüfen. Diese wiederum ist von der bayerischen Regierung erlassen. Nichtsdestotrotz berichten Betroffene von recht unterschiedlichen Auslegungen der Bauordnung seitens verschiedener Sachbearbeiter in der LBK.

Neben den komplizierten baulichen Vorschriften kommt auf einige Elterninitiativen im nächsten Schuljahr eine weitere Schwierigkeit zu. Sie steht im Zusammenhang mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, das im August 2005 in Kraft getreten ist, und das unter anderem die Förderung von Elterninitiativen umstrukturiert.

Diese bayernweite Neuregelung hat auch die Stadt zum Anlass genommen, die Mietzuschüsse für etwa 20 (zumeist besonders alte) der rund 220 Münchner Elterninitiativen in Frage zu stellen. Nach Auskunft des Vereins für Kleinkindertagesstätten (KKT) stellt diese Kürzung der Förderung für manche Kindergärten eine existenzielle Bedrohung dar.

Die Nachrichten von der drohenden Streichung der Mietzuschüsse und von komplizierten Bauauflagen der Ämter und Behörden haben zuletzt in einigen Münchner Kindergärten Unruhe ausgelöst. Und wenn man genau hinhört, sind diese Sorgen sogar bis zu den Kindern im Spielparadies in der Hohenlohestraße vorgedrungen.

Im heiteren Fußballjubel der tobenden Kinder vernimmt man leise die dreijährige Paula, die in ihrem Wassereimer plätschert und sagt: "Ich will hier nicht weg, weil hier ist meine Wasserwanne."

© SZ vom 24.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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