Premiere im City-Kino:Die Rückkehr der Spießer

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"Reine Geschmacksache": Ingo Rasper präsentiert in seinem Filmdebüt mit viel Engagement altbackene Kleinkariertheit in neuem Format. Ein ernster Loriot lässt grüßen.

Daniela Krispler

Die Schlange spricht für sich: im Münchner City-Kino hat sich heute eine Menge Menschen versammelt, die es nicht erwarten kann, endlich den neuen Film mit Edgar Selge oder den Erstling von Ingo Rasper und seinem Filmteam zu sehen - je nachdem wie man es nimmt.

Neues Dreamteam: Ingo Rasper, Franziska Walser und Edgar Selge. (Foto: Foto: Daniela Krispler)

Bestimmt sind bei der Premiere des Films "Reine Geschmacksache" auch einige Angehörige und Freunde anwesend. Mehr als man denkt - viele Gäste kennen das Filmteam persönlich. Die Begrüßungen sind herzlich, hier treffen sich Freunde die froh sind, dass sie sich endlich wieder mal sehen.

Drehbuchautor Tom Streuber vermittelt: "Das ist die Produzentin, das ist die Komponistin", stellt er die Crew den Journalisten vor, bis endlich Edgar Selge und seine Frau Franziska Walser im Innenhof des Kinos erscheinen. Auf den Star des Abends, den einarmigen Kommissar aus "Polizeiruf 110" haben alle gewartet. Jetzt kann`s losgehen!

Selge spielt die Hauptrolle im Film, Wolfgang Zenker, einen Vertreter für Damenoberbekleidung. Weil er wegen zu schnellen Fahrens seinen Führerschein verliert, muss sein Sohn Karsten (Florian Bartholomäi) auf eine Sprachreise nach Spanien verzichten und für ihn als Fahrer einspringen.

Spannungen sind vorprogrammiert, wenn der pedantische Vater mit dem schwulen Sohn von einer Kleinstadtboutique zur nächsten fährt. Die Absolventen der Filmakademie Baden-Würtemberg nennen ihren Film desalb auch "Buddy-Komödie" und Filmkritiken vergleichen Selge in seiner Darstellung mit Loriot alias Vicco von Bülow.

Seine Stärken hat der Film im Detail: Wenn Selge seinen Mund zu einem Strich verzieht, wenn der schwule Sohn seine erste Liebe mit dem Erz-Konkurrenten des Vaters erlebt (Roman Knizka) und wenn die Mutter (Franziska Walser) ihre Freundin Brigitte (Traute Hoess) besucht, die in ihrer kleinen Pension wie in einem Jagdschloss residiert.

Das Szenenbild von Christian Sprang und das Kostümbild von Bettina Marx produzieren viele Lacher im Publikum. Bei Hirschgeweihen auf moosgrüner Tapete und Kleiderbügeln, die auf der Kleiderstange akkurat nebeneinander angeordnet sind, weiß man schnell worum es eigentlich geht: um deutsche Spießigkeit.

Dementsprechend lautete Ingo Raspers Auftrag an seine Ausstatter "Dezent geschmacklos." Ziel war es die "typisch deutsche Genauigkeit aufs Korn zu nehmen", so Rasper. Das ist ihm auch gelungen, wenngleich mit einem stellenweise ernsten Unterton. Die Bekleidungsindustrie ist härter als man denkt, die Ehefrau frustet zu Recht zu Hause herum. Den ernsten Stellen im Film, die für eine Komödie teilweise zu langatmig geraten, wird mit einem humorvollen Schluss entgegengewirkt.

So werden die großen Bemühungen dann auch belohnt. Nach dem Beifall im Publikum stellt sich das Filmproduktionsteam noch einzelnen Fragen, bis es endlich zum Feiern geht - mit Prosecco und Freunden, die als neue Fans soviel Engagement zu würdigen wissen.

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