Planungsreferat will Freischankflächen reduzieren:Bürokraten gegen Kaffeetrinken in der Sonne

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Künftig sollen nur noch ausgewiesene Gastronomiebetriebe auf Gehwegen und Plätzen servieren dürfen.

Von Astrid Becker

Bei den ersten warmen Sonnenstrahlen Cappuccino oder Eiskaffee im Freien genießen, die Vorbeiflanierenden beobachten und dabei selbst gesehen werden -all das gehört zum Wesen des Münchners.

(Foto: Foto: Stefan Rumpf)

Doch viele der Freischankflächen könnten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in diesem Jahr verschwinden - weil Lokalbaukommission (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Genehmigungspraxis bei der sogenannten erlaubnisfreien Gastronomie vertreten.

Wer das Verhalten der Münchner in diesen Tagen beobachtet, der wird sich des Eindrucks nicht erwehren können: Kaum blitzt die Sonne durch die Wolken, hat der hiesige Großstädter nur einen Gedanken im Kopf. Nichts wie raus - egal, ob auf einen Kaffee im Freien beim Bäcker um die Ecke oder auf ein Helles auf dem Viktualienmarkt.

Um diesem Frischluftbedürfnis gerecht zu werden, gibt es in München seit Jahren eine klare Order: Sind Gehsteige breit genug und treten keine Brandschutzprobleme oder dergleichen auf, sind sogenannte Freischankflächen zu genehmigen.

Doch dies soll nun nicht mehr für jede Form der Gastronomie gelten. Denn mit der EU-weiten Deregulierung des Gaststättengesetzes vor zwei Jahren hatte es zunehmend Probleme zwischen den Genehmigungsbehörden gegeben.

Seit Juli 2005 ist es nicht nur normalen Wirten gestattet, Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle zu verkaufen, sondern auch allen anderen Gewerbetreibenden. Eine gesonderte Genehmigung brauchen letztere dafür nicht - sofern sie keinen Alkohol ausschenken.

Das heißt: Solche Ladenlokale, darunter viele Konditoreien oder auch Feinkostgeschäfte, brauchen bis dato keine Gaststättenkonzession und müssen demnach auch nicht die baurechtlichen Anforderungen erfüllen, die normalerweise für die "erlaubnispflichtige" Gastronomie gelten.

Wenn es nun um die Genehmigung einer Freischankfläche ging, hat allerdings das Kreisverwaltungsreferat als dafür zuständige Behörde dem Vernehmen nach bislang nur wenig zwischen erlaubnispflichtiger und erlaubnisfreier Gastronomie unterschieden.

Als Auflage galt in beiden Fällen, neben der Breite der Gehsteige und dergleichen, lediglich, dass auf öffentlichen Grund keine Stehtische aufgestellt werden dürfen und die Zahl der Außenplätze die der Innenplätze nicht überschreiten sollte.

Nach Auffassung der Lokalbaukommission (LBK) war dieses Vorgehen jedoch fehlerhaft, weil diese Praxis, wie es dort heißt, zu einem "Wildwuchs an Freischankflächen" geführt habe. Einem Schreiben, das der SZ vorliegt, ist nun zu entnehmen, dass das Planungsreferat, die der LBK übergeordnete Behörde, Kriterien für eine einheitliche Handhabe erarbeitet hat.

Derzufolge ist ein Laden mit Verzehrfläche nur genehmigungsfrei, wenn die Verkaufsfläche deutlich überwiegt, die Zahl der Gastplätze maximal 25 beträgt, nur aus Stehplätzen besteht und die gesetzlichen Ladenschlusszeiten eingehalten werden.

Bestes Beispiel dafür: die Bäckerei mit Kaffeeausschank. Dem Wunsch nach einer Freischankfläche dürfe, so das Planungsreferat, in solchen Fällen nicht entsprochen werden, weil dies "nur in Verbindung mit einer bauaufsichtlich genehmigten Gaststätte im Rahmen der Wechselnutzung (also im Winter Innenraum, im Sommer Außenraum) möglich" sei.

Wer also in seinem Laden Sitzplätze zum Verzehr von Speisen und Getränken anbietet und seine Tische und Stühle im Sommer nach draußen verlagern will, müsste sich die Nutzung als Gaststätte genehmigen lassen. Dies wiederum setzt voraus, dass auch eine entsprechende Baugenehmigung vorliegt.

Für den Betreiber bedeutet das, einen Architekten zu engagieren, den Innenraum umzubauen, Brandschutztüren zu installieren, die Toiletten umzurüsten, für Notausgänge zu sorgen und gegebenenfalls auch noch Ablöse für Stellplätze zu bezahlen. Kurz: Es entstehen ihm enorme Kosten, die abschrecken.

Erfreut dürften auf diese neue Vorgehensweise nur die Bezirksausschüsse und der Hotel- und Gaststättenverband reagieren. Erstere hatten sich in der Vergangenheit zwar nicht grundsätzlich gegen Freischankflächen verwahrt, deren enormen Zuwachs aber wegen zahlreicher Beschwerden von Anwohnern und Fußgängern kritisiert.

Der Wirteverband hingegen fürchtete vor allem die Konkurrenz, weil Einzelhändler mit Gastronomie Speisen und Getränke aufgrund des für sie geltenden niedrigen Mehrwertsteuersatzes billiger anbieten konnten. Für alle Anhänger von Freischankflächen, also die Kunden, dürften weder diese Argumente noch die neue Auslegung der Rechtslage durch das Planungsreferat nachvollziehbar sein.

© SZ vom 4.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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