PIN-Fest in der Pinakothek der Moderne:Im Fieber

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München, 23.11.2013 / Foto: Robert Haas Pinakothek der Moderne / PIN 'let´s party 4 art' Lila Schulz / Udo Wachtveitl / Katharina Freifrau von Perfall (Foto: N/A)

Das PIN-Fest in der Pinakothek der Moderne ist eine Melange aus Glück, guter Tat, Kunstsinn und Verschwendung. Die meisten Werke werden weit über Wert verkauft. Manche Bieter zeigen ihr Interesse freudig erregt, manche lassen diskret Strohmänner im Hintergrund wirken. Am Ende tanzen alle.

Ein Szenario von Susanne Hermanski

Die Luft prickelt wie der Sekt in den Gläsern. Wie die Versteigerung dieses ersten Werkes läuft, wird entscheidend sein für den Erfolg des Abends. Das zwei Meter breite Leuchtkasten-Dia zeigt ein Basketballspiel des FC Bayern München - nicht als Momentaufnahme, sondern in einer Fusion der spannendsten und witzigsten Augenblicke des Spiels. "Zeitwinkel" nennt der Fotograf diese Montagen, die erst auf den zweiten Blick ihre absurden Details offenbaren:

Da putzt der Mann mit dem Wischmopp zwischen den Füßen der Sieger, dort rennt das Cheerleader-Mädel wie ein Hase zwischen Verlierern, Fahnenschwenkern und Verteidigern übers Feld. Peter Langenhahn ist ein junger Künstler, kein großer Name wie Baselitz oder Gursky, deren Arbeiten später noch aufgerufen werden. Aber Langenhahns Wahl zum Los Nummer 1 erweist sich als ideal für die Dramaturgie dieser Nacht, für diese Melange aus Glück, guter Tat, Kunstsinn und Verschwendung. Kurz genannt: Pin-Fest.

3000 Euro ruft Andreas Rumbler als Einstiegsgebot auf. Der ebenso gelackte wie gewitzte Christie's-Auktionator heizt die fiebrige Schar binnen Sekunden auf 11 000 Euro hoch. Der Münchner Adel, ob Geld oder blaues Blut, ist überreich unter der Rotunde versammelt. Die Gästeliste reicht von Herzog Franz und Prinz Manuel von Bayern über Ingvild Goetz und Michael Schottenhamel bis zu Regine Sixt, Michael Stich, Konstantin Wettig, dem Chef von Engel & Völkers, und wieder zurück zu Ulrike Prinzessin zu Salm-Salm. (Eigentlich wurde nur Cornelius Gurlitt nicht gesichtet.) Man zahlt gern für Langenhahns glühende Sportreportage, wo der FC Bayern doch gerade 3:0 gewonnen hat, auch wenn's die Fußballer waren.

Diskrete Strohmänner

Überhaupt gehen die meisten der 57 an diesem Abend versteigerten Werke deutlich über ihrem Schätzwert an ihre neuen Besitzer. Das teuerste Stück wird Peter Doigs Ölbild "Spearfish Man" sein: 180.000 Euro bringt es in die Kasse der Freunde der Pinakothek der Moderne. Und damit einen Riesenbatzen in den Ankaufsetat der in ihr vereinten Museen. Staatlicherseits ist der ja nur mit kärglichen 40.000 Euro im Jahr bemessen.

Später heißt es, "ein Telefonbieter aus dem Ausland" habe die Summe gezahlt, die exakt doppelt so hoch ist, wie das Gemälde taxiert worden war. Also muss es der blanke Zufall sein, dass Jan Klatten, der Mann von BMW-Erbin Susanne Klatten, just nachdem Rumbler den Hammer fallen lässt, aufspringt und freudig zu einem anderen Herrn im Publikum eilt, um ihm irgendeine gute Neuigkeit zu erzählen. Leute wie die Klattens, so heißt es, steigerten übrigens nie persönlich durch irgendwelche Handzeichen mit. Sie lassen diskret ihre Strohmänner wirken.

Ganz anders das Paar, das auf die völlig unscheinbare Kohlezeichnung von Altmeister Alex Katz bietet. Sie trägt den Titel "Jessica in Polo Coat" und entstand 2005 im Zusammenhang mit den Arbeiten an einem Gemälde, das sich schon in einem Münchner Privatbesitz befinden soll. Die darauf dargestellte junge Frau mit dem etwas spießigen Perlenohrring ähnelt frappierend jener Blondine, die inniglich ihren "Schatz!" abbusselt, als der bei 21.000 hart erkämpften Euro den Zuschlag erhält.

Aufgeregt ist bei einer solchen Auktion aber nicht nur der Mitbieter. Das können die Pin-Fest-Gäste unschwer Andreas Mühe ansehen. Der junge Künstler und Sohn des 2007 gestorbenen Schauspielers Ulrich Mühe hat eine Fotografie mit provokativem Motiv im Rennen. Darauf sieht man, klein und von hinten, einen Soldaten in der romantischen, an Caspar David Friedrich erinnernden Natur des Obersalzbergs stehen. Er pinkelt geradewegs in diese erhabene Landschaft. Die Erlösung für Mühe kommt, als der Hammer bei 25 000 Euro fällt.

Ein Künstler, der noch immer als Schauspieler in München sehr viel bekannter ist, denn als Fotograf, hat ebenfalls ein Werk eingeliefert: den Print einer surreal unendlichen Blumenwiese auf Glas. Stefan Hunsteins Werk erlöst 9500 Euro und leuchtet im selben Pink wie das Paillettenbild von Daniel Gonzalez. Oder, Moment, handelt es sich dabei doch eher um das Paillettenkleid von Regine Sixt? Denn schon bald - da läuft die Auktion, die mit der Rekordsumme von 887 300 Euro enden wird - noch eine ganze Weile, mischen sich die Gäste des Abends mit ihren Häppchen und Gläsern zwischen die Kunst.

Treiben ihren Schabernack mit den Skulpturen wie dem in Bronze gegossenen Wischmopp von Benjamin Bergmann und dem "Bondage Beton" von Stephan Marienfeld. Und verlieren sich schließlich im wilden Tanz zu den wummernden Beats eines DJs. Wie sähe es wohl aus, wenn Peter Langenhahn einen seiner "Zeitwinkel" an dieses Fest an legte?

© SZ vom 25.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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