Pflegedienst:Mobile Reserve

Lesezeit: 1 min

Die illegale Konkurrenz aus Osteuropa droht den Markt für Pflegedienste dramatisch zu verändern.

Sven Loerzer

Rund 25.000 Münchner sind pflegebedürftig, dazu kommen 20.000 überwiegend ältere Menschen, die zwar noch keine Pflege, aber Hilfe im Haushalt und Betreuung benötigen. Doch mit den Leistungen aus der Pflegeversicherung allein lässt sich eine ausreichende Versorgung oft kaum bezahlen - weder zu Hause noch in einem Heim.

Die hohe Nachfrage nach einer finanzierbaren Betreuung hat seit der EU-Osterweiterung viele Hilfs- und Pflegekräfte aus diesen Ländern angelockt, die sich nun zum Billiglohn um alte Menschen kümmern. Zwar gibt es legale Wege zur Beschäftigung, aber die sind oft wenig praktikabel. So arbeiten die meisten Osteuropäer "schwarz": Sie bleiben rund um die Uhr einsatzbereit und erhalten 800 bis 1200 Euro auf die Hand, bei freier Kost und Logis.

Der Schwarzmarkt boomt

"Von Öffentlichkeit und Politik wird diese Dienstleistungsform de facto akzeptiert", sagt Sozialreferent Friedrich Graffe, "weil hierdurch zusätzliche Kosten vermieden werden." Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch einen deutschen Pflegedienst ist bis zu zehnmal so teuer. Da hilft auch die Pflegereform mit ihren geringfügigen Leistungsverbesserungen nicht.

So wird der Schwarzmarkt wohl weiter boomen. Experten gehen davon aus, dass bis zu 100.000 illegal Beschäftigte in deutschen Pflegehaushalten einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Graffe sieht deshalb die Gefahr, dass die osteuropäische Konkurrenz den deutschen Pflegemarkt verändert.

Erste Anzeichen dafür gibt es schon, vor allem auf dem Land, etwa im Raum Mittelfranken, wie Jürgen Salzhuber, Geschäftsführer der Münchner Arbeiterwohlfahrt, berichtet: "Da, wo die Menschen eigene Häuser haben, holen sie sich eine polnische Krankenschwester, die bei ihnen wohnt und sie versorgt." In München scheitere das zumeist an den viel zu engen Wohnverhältnissen: "Wie soll ich bei mir in Schwabing jemanden als Haushaltshilfe einziehen lassen, wenn ich selber nur eine Zwei-Zimmer-Wohnung habe?"

"Kein konkurrenzfähiges Modell machbar"

Auswirkungen seien deshalb in Pflegeheimen der Arbeiterwohlfahrt bisher nicht zu spüren. Dass mehr Menschen mit osteuropäischer Hilfe länger zu Hause wohnen bleiben, zeige sich zuerst auf dem Land, wo inzwischen vor allem Wohnheime mit Leerständen zu kämpfen hätten.

Im Umland ist auch zu beobachten, dass den Diensten die teureren Pflegefälle "wegbrechen", für deren Finanzierung die Pflegeversicherung allein nicht reicht. Gerade hauswirtschaftliche Versorgung und Präsenz bei verwirrten alten Menschen laufe dort, wo es genügend Wohnraum gebe, über Osteuropäer, sagt Norbert Huber, Geschäftsführer der Caritas-Zentren. "Da ist von uns kein konkurrenzfähiges Modell machbar."

© SZ vom 12.03.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: