Petuel-Park:Mit den Sträuchern wächst der Wert

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Die Anwohner des Petuelparks fühlen sich wie in einem Dorf. Doch die Idylle regt auch die Phantasie der Wohnbau-Investoren an. Eine Reportage.

Von Bernd Kastner

Sogar das Wasser jauchzt. Es springt in den Himmel, weiß ist es und lebendig, will gar nicht zurück zur Erde. Will fliegen vor Freude. Der Wind trägt es fort, die Tröpfchen lassen die Luft bunt schimmern. Die Fontäne steigt aus einem Paar Stiefel empor, die jemand auf der kleinen Insel im Bach vergessen hat. Scheinbar, wie so vieles Illusion ist an diesem Ort. Plötzlich das Tröten eines Trucks. Autos zanken, Vögel fliegen auf. Einen Flügelschlag entfernt tobt der Verkehr.

So nah liegen sie zusammen, das Inferno aus Lkw-Lärm und das Idyll der Kunst und Natur. Petuelring, Ecke Leopoldstraße. Von hier bis zur Belgradstraße haben sie die Straße im Boden versenkt und auf 900 Metern einen verspielten Park drüber gebaut. Seither riecht der Name des Ludwig Petuel, Bierbrauer und Großgrundbesitzer, nicht mehr nach Stau. Jetzt klingt Petuel wie Poesie.

Schwabing und Milbertshofen stoßen hier aufeinander. Bisher trennte sie der Mittlere Ring, jetzt beginnt diese lärmende und stinkende Narbe zu heilen. Die Natur darf blühen, die Kunst soll Menschen anziehen und die Teilung überwinden. Die Bewohner des Viertels jubeln. "Super!", sagt die Frau mit Hund. "Kein Lärm mehr. Ein Dorf mitten in der Stadt." Eine andere Frau mit Hund kommt täglich vom Scheidplatz hierher. "Taps" darf ins Wasser, ist glücklich.

Im Gras am Ufer des Nymphenburg-Biedersteiner-Kanals, der sich mit seinem Schilf als Bächlein gibt, sitzt eine junge Frau. Für die Bewohner der drei Quadrat-Hochhäuser mit ihren jeweils 120 Wohnungen und den kleineren Klötzen dahinter ein neues Gefühl: Ein begehbares Stück Grün. Zwar haben sie schon immer weite Wiesen zwischen den Blöcken, doch es sind fast so viele Schilder wie Bäume gewachsen. "Rasen betreten verboten." "Zuwiderhandlungen werden verfolgt."

"Es herrscht große Zufriedenheit und Begeisterung"

Noch ist der Park steril und schattenlos. Doch schon treffen sich Menschen, die sich noch nie gesehen haben. Die Behinderten der Pfennigparade zum Beispiel und Nichtbehinderte. Man redet miteinander, wo man bis vor kurzem sein eigenes Wort nicht verstanden hat. Scarlett Schönberger, die im Viertel ein Fotoatelier betreibt, berichtet, dass ihre Kunden von diesen Begegnungen schwärmen, und Thomas Weber von der Pfennigparade sagt: "Es herrscht große Zufriedenheit und Begeisterung."

Alfons Pickert, Rentner, 75 Jahre alt, steht am Fuße des Hochhauses, an dem noch vor zwei Jahren die Baustellen-Fahrbahn auf Stelzen entlang führte und die Gläser im Schrank zum Klirren brachte. Der Rentner beobachtet den Kran, der das neue Café in der Mitte des Parks wachsen lässt. Seine Begeisterung gebiert große Worte. "Gewaltig! Hervorragend! Einmalig!" Früher war es "verheerend!" - Lärm, Dreck, Stau. Er ist eigens wegen des Parks hergezogen. "Man muss der Stadt Lob aussprechen."

Welch ungewolltes Lob für den Oberbürgermeister. Lange hat Christian Ude gegen den teuren Tunnel gekämpft, doch das Volk hat 1996 befohlen, die 200 Millionen Euro auszugeben, um die Illusion des autolosen Rings zu schaffen. Nun ist der Wunsch Wirklichkeit, die täglich 120.000 Autos verkehren unterirdisch, und selbst Ude beklatscht den Wandel vom "Schandfleck" zum "Schmuckstück".

Geschaffen mit acht Millionen Euro, 2800 Stauden, 7300 Sträuchern, 389 Bäumen. Und einem Dutzend Kunstwerken, weshalb die Feuilletonisten den Ort der Phantasie feiern. Nun beginnt sich das Viertel an der einstigen Staustrecke zu verändern, langsam, kaum merklich. Es liegt eine diffuse Angst über dem Viertel, Gerüchte machen die Runde, gut hörbar in der Ruhe des Parks.

Johann Ertl spricht erst von den Hunden, die immer mehr werden. "Die lassen die Hunde frei laufen und auch noch ins Wasser." Trotzdem ist er begeistert, kommt jeden Tag aus seiner Wohnung an der Schleißheimer Straße, wo es laut ist wie eh und je, in den Park, geht in die Bäckerei seines Freundes Zuljfo Durmisi an der Klopstockstraße. Der merkt die Veränderung auch.

Früher führte vor seinem Laden eine Fußgängerbrücke über den Ring, und die Schüler aus Milbertshofen landeten Tag für Tag automatisch in seinem Laden. Jetzt muss, wer von drüben kommt und Semmeln will, einen Zick-zack-Kurs durch den Park zurücklegen.

"Jetzt hauen sie die Miete rauf"

Und dann sagt Johann Ertl, an einem Stehtisch lehnend, plötzlich: "Jetzt hauen sie die Miete rauf." Da ist sie, die Angst der Bewohner. Die Luft ist rein - das zieht Spekulanten an und reizt Vermieter. "Das wird ausgenutzt", schimpft Ertl, erzählt von winzigen Apartments um die Ecke, die bisher 260 Euro gekostet hätten. Jetzt 500! Angeblich. Nebenan sagt Johannes Gruber in seinem Zeitungsladen: "Manche Vermieter glauben, dass sie wegen des Parks die Miete anheben können."

Der Mieterverein will noch nicht von einem Trend sprechen, nur einzelne Fälle von drastischer Anhebung seien bekannt. In den zuständigen Bezirksausschüssen haben sich auch noch keine erregten Mieter gemeldet, und bei der Stadt hofft man auf die Wirkung der Erhaltungssatzung. Am Tunnel aber scheint fast jeder einen zu kennen, der einen kennt, den es getroffen hat.

Auf der anderen Seite des Parks, wo alles noch biederer wirkt, sitzt Harald Wilczek in seinem kleinen Garten und berichtet, dass es in den Hochhäusern kräftig nach oben gehe. Er selbst ist unbesorgt, er wohnt in der Anlage der Baugenossenschaft München Schwabing. 50 Quadratmeter für 290 Euro, das dürfte so bleiben.

Es gibt sie noch nicht, die Geschichten von der massenhaften Vertreibung alter Mieter aus neuer Umgebung. Mit einer Ausnahme: Im Wilhelm-Hertz-Block klagen Bewohner seit fünf Jahren über Vertreibung via Sanierung und Schikane.

Die fast 100 Jahre alte Anlage liegt jenseits der Leopoldstraße, wo man den Park allenfalls ahnen kann. Doch er regt die Phantasie des Investors an. Der macht aus dem ¸¸Hertz-Block" die schicken "Hertz-Höfe", preist die "traumhafte Umgebung" am Tunnelausgang und macht den kleinen Petuelpark mit seinen 7,4 Hektar zu Münchens zweitgrößter Grünanlage. Ein Kaufinteressent aus Itzehoe wird schon nichts wissen von all den anderen Anlagen, vom Westpark (61 Hektar) bis zum Ostpark (55 Hektar).

Ist Positives bekannt, steigt der Kurs

Stephan Kippes vom Ring Deutscher Makler (RDM) spricht von einer Situation "wie an der Börse": Sobald Positives bekannt wird, steigt der Kurs. Steigen die Mieten und Kaufpreise. Die Wertminderung durch den Ring mache der Park mehr als wett, Eigentümer dürften sich über einen Wertzuwachs von zwanzig und mehr Prozent freuen.

Das Planungsreferat registriert seit ein paar Jahren verstärkte Bautätigkeit in Milbertshofen: Immer mehr Dachgeschosse werden zu Wohnungen, Häuser werden saniert, Baulücken geschlossen. Bauträger klopften regelmäßig bei der Stadt an, sagt Planer Franz Kraus. Man wird darauf warten können, bis der nächste Investor einen Block herrichtet und Stück für Stück Haus und Menschen verkauft.

Andere Park-Folgen dagegen überraschen. Doris Maier hängt auf ihrem Balkon Wäsche auf. Sie wohnt nördlich des Parks, lächelt gequält und sagt: "Es ist lauter als früher." Ein Scherz? An das monotone Rauschen der Autos hatte sie sich gewöhnt, sagt Frau Maier, aber jetzt...

Der Spielplatz! Nur einen Steinwurf von ihrem Balkon entfernt. Ein Kinderparadies mit den Wasser sprühenden Zaubersteinen, aber auch Anziehungspunkt für "Jugendliche und Halbstarke". Frau Maier erzählt, wie sie bis tief in die Nacht grölen und Basketball spielen und ihre Autos quietschen lassen. "Höllenlärm."

© SZ vom 8.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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