Paparazzi-Schwestern:Zwillinge auf Promijagd

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Seit über 50 Jahren sind Christel und Margret Tenbuß auf der Jagd nach Promifotos. An die 100.000 Fotos haben sie von Stars und Künstlern gemacht.

Sandra Stricker

Wer ist eigentlich Winnie Markus? Wahrscheinlich spaltet sich die Leserschaft jetzt in zwei Lager: diejenigen, die nicht die geringste Ahnung haben, und diejenigen, die den Kopf darüber schütteln, dass man so eine Frage auch nur stellen kann. Christel und Margret Tenbuß wissen nicht nur ganz genau, dass es sich bei der Dame um eine deutsche Schauspielerin handelt, die früher in Filmen wie "Die Geierwally" (1940) mitgespielt hat und zuletzt in der Serie "Zwei Münchner in Hamburg".

1986 trafen Margret und Christel Tenbuß in London die Schauspielerin Liv Ullmann. (Foto: Foto: Margret Tenbuß)

Sie haben sie nicht nur mehrmals "auf die Platte gebannt", wie Margret sich gerne ausdrückt. Sie verhalf den Zwillingsschwestern auch zu einem kleinen Sieg: Mit einem Foto von Markus' Tochter am Adventskranz gewannen die damals 29-Jährigen den Fotowettbewerb einer Zeitung in ihrer Heimatstadt Gladbeck. Peter Ustinov dagegen fragte persönlich nach einem Foto bei den Damen an, weil ihnen vor den Münchner Bavaria-Studios einst ein Schnappschuss von dem ersten Wagen des Schauspielers gelang.

"Die Künstler schätzen uns auch!", betonen die Prominentenfotografinnen, die dank Funk und Fernsehen mittlerweile selbst eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Und: "Es war ein Glücksfall. Wir hatten die gleiche Passion." Gemeinsam beugen sich Christel und Margret Tenbuß über zwei Fotografien. "Hier, das ist die Liv Ullmann, und hier der Arthur Cohn, den verehren wir auch immer noch sehr." Das erste Bild ist eine Schwarzweißaufnahme. Christel und ihre Zwillingsschwester Margret sind darauf 20 Jahre jünger und tragen Kostümjacken aus Wolle. In der Mitte die norwegische Schauspielerin Ullmann, die sich bei den beiden untergehakt hat und mit ihnen lebhaft in die Kamera strahlt.

Vom ersten Schnappschuss zur Passion

Auch heute sind die "Tenbuß-Zwillinge", als die sie in der Medienwelt bekannt sind, sehr lebhaft. Sie tragen gestreifte Blusen, Christel eine in Rotweiß, Margret eine in Grünweiß, und sind bald so in eine schwesterliche Diskussion verstrickt, dass die unzähligen Fotos, die sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet haben, fast in Vergessenheit geraten. Es sind die Prominentenfotos der Zwillinge, die sie seit den frühen fünfziger Jahren unermüdlich sammeln: der Glücksfall, ihre gemeinsame Passion.

Es war 1952, als sie nach einem sogenannten "Bunten Abend" im heimischen Gladbeck den ersten Schnappschuss ergatterten: Cornelia Froboess war damals neun Jahre alt und hatte gerade den ersten Hit mit "Pack die Badehose ein". Die Tenbuß-Zwillinge waren 16 und arbeiteten als Verkäuferinnen, Christel in einem Herrenbekleidungsgeschäft und Margret in einer Konditorei. Das erste Foto wurde, wie so viele danach, mit der sogenannten "Box" geschossen, die damals 9,90 Mark kostete.

Die Taktik der jungen Mädchen war die gleiche wie die heutiger Fans und Autogrammjäger: "Weil die Kamera keinen Blitz hatte, konnten wir immer erst am nächsten Morgen fotografieren. Wir haben uns dann zum Beispiel nach einer Schlagerparade vor das Hotel gestellt und gewartet, bis die Stars rauskamen", sagt Christel Tenbuß. "Obwohl wir damals noch sehr schüchtern waren", fügt ihre Schwester hinzu. "Das können Sie sich wahrscheinlich jetzt nicht mehr vorstellen."

Den Hollywood-Produzenten Arthur Cohn trafen die Zwillinge in München. Für Zwillingsforscher: Christel steht oben links und unten rechts. (Foto: Foto: Margret Tenbuß)

Eher nicht. Die Fotos der Tenbuß-Zwillinge wurden von den Agenten der Stars als Autogrammkarten verwendet und in Zeitschriften und Biographien veröffentlicht. Mit Ute Lemper und Senta Berger stehen sie in Briefkontakt, 2004 hatten sie eine große Ausstellung im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main und 2005 einen Auftritt in Frank Elstners Show "Menschen der Woche".

Was wie ein Märchen klingt, begann auch mit einer gewissen Verzauberung: "Das Samenkorn für unser Kulturinteresse", sagen sie, wurde durch erste Zeichentrickfilme und Theaterstücke gelegt, die in Gemeindesälen von Laienschauspielern aufgeführt wurden, als es noch kaum Fernseher und nur wenige Kinos gab. Christel und Margret waren fünf, sechs Jahre alt und der Alltag in Deutschland war zwischen Krieg und Wiederaufbau prosaisch.

"Eine Ahnung von einer anderen, farbigeren Welt boten dann eben Filme und Theaterstücke." Wie eine Tür zu Erfahrungen, die sie - neben ihrem Alltag - nie mehr aufgeben wollten. "Es war eine phantastische Welt, doch wir haben sie für bare Münze genommen", sagen Christel und Margret heute unisono. Als die Mädchen älter wurden, kam das Radio hinzu, wo sie am liebsten Operette und Schlager hörten. Und es gab sogar eine Art Double der realen Mädchen in der Traumwelt: Isa und Jutta Günther als "Doppeltes Lottchen" in der Verfilmung von 1950.

50 Jahre dokumentierte Mediengeschichte

Das Werk der Schwestern Tenbuß - und als solches darf man es ruhig bezeichnen - dokumentiert 50 Jahre Medien- und Kulturgeschichte. Faszinierend ist die Vielfalt der Dargestellten, die von Persönlichkeiten des Boulevardtheaters über Schauspielerinnen in Heimatfilmen bis hin zu einer Künstlerpersönlichkeit wie dem Regisseur und Intendanten August Everding reicht, der 1999 starb und den Christel und Margret drei Wochen vor seinem Tod noch abgelichtet hatten. "Wir machten oft die ersten Fotos und manchmal auch die letzten."

Dabei war es "eine Sehnsucht, den Großen zu begegnen" (Margret) genauso wie "ein Sinn für Qualität" (Christel) in der Liebe zu Film und Theater, zu Glanz und Show, der zur Antriebsfeder wurde. Nach einer entbehrungsreichen Kindheit während der Kriegsjahre wählten die jungen Mädchen den wenig glamourösen Beruf der Verkäuferin, der für ein glanzvolles Leben schon gar nicht die Mittel bietet. Aber er lässt Zeit zum Träumen.

Bei Christel und Margret Tenbuß hat die Traumwelt zuweilen mehr Macht über ihr Leben gehabt als der Alltag. 1962 zum Beispiel zog Margret im Alter von 26 Jahren nach München, einfach, weil sie "eine Zeitlang mal hier leben wollte". Kennengelernt hatte sie die Stadt durch drei gemeinsame Urlaube mit Christel, während der sie rund um die Bavaria-Filmstadt auf Prominentenjagd gegangen waren. Später folgte Christel nach. 2008 leben sie immer noch hier, mittlerweile in einer gemeinsamen Wohnung, die auch als Archiv dient für die knapp 100.000 Fotos und Dias, die sich angesammelt haben.

Es war keine Arbeitsstelle, die den Wohnort, und keine exotische Landschaft, die den Urlaubsort bestimmten. Sondern die Liebe zu den Stars. "Wenn wir geheiratet hätten, hätten wir unser Hobby aufgegeben. Das hätten wir einem Mann nicht zumuten können, denn wir hätten ja gar keine Zeit für ihn gehabt." Umgekehrt wäre keine Zeit mehr für das Leben in der anderen Welt geblieben, die ganz allein den Schwestern gehört. Auf der Ausstellung in Frankfurt 2004 war deshalb nicht nur eine Dokumentation des Boulevards zu sehen, sondern auch die Geschichte zweier Verkäuferinnen, die für die Macht der Träume stehen. Schade, dass in München noch kein Museum ihre Bilder Geschichten erzählen ließ.

© SZ vom 03.09.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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