Operngeheimnisse:Und wer steckt dahinter?

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Wer sorgt dafür, dass der Cellist genug Platz zum Spielen hat, woher kommen die Utensilien für dramatische Duellszenen? Welche Hemden mögen Sänger? Wir haben uns mal dort umgesehen - wo es sonst heißt: Zutritt verboten.

Anne Goebel

Herr des Lichts

(Foto: Foto: Catherina Hess)

Thomas Wendt, 34, Beleuchtungsmeister: "Eigentlich bin ich ja gelernter Elekriker, aber ich wollte schon immer zum Theater. Bei den Beleuchtern sind wir ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen, wir haben einen Diplomchemiker, einen Postboten - alle eint die Begeisterung für den Job.

Grob gesagt bin ich für zwei Dinge verantwortlich: Für die Sicherheit, das heißt, dass nicht plötzlich von irgendwo ein Scheinwerfer herunterfällt. Und natürlich für die Lichtstimmung. Inzwischen läuft das Beleuchten an großen Häusern nicht mehr manuell, sondern über Rechner. Der Regisseur sagt, was er haben will, wir schauen, wie man es umsetzt.

Bei ,Manon Lescaut' gibt es eine Szene auf einer schwarzen Treppe mit tollen Lichteffekten, Hotspots und Hotstripes. Die müssen ganz exakt sitzen. Wenn das dann gut klappt vorn auf der Bühne, sitzt du da und denkst: ,Sieht schon schön aus.'"

Türöffner

(Foto: Foto: Catherina Hess)

Ludwig Saller, 59, Pförtner: "Ich mache das hier seit 13 Jahren, und die meisten Leute kenne ich. Sagen wir mal: Von 900 Angestellten der Oper kenne ich 800 mit Namen. Irgendwie kann ich mir Gesichter gut merken. Ist doch nett, wenn man persönlich begrüßt wird. Ich glaube, das tut jedem gut. Eben, das war Anja Harteros.

Ein Weltstar! Hier wird alles mögliche abgegeben, Briefe, Blumen, Fotos mit Autogrammwünschen. Vorhin kam ein Herr und hat mir eine blaue Rose überreicht für eine Balletttänzerin. Hereinlassen darf ich die Autogrammjäger natürlich nicht. Aber die sind wirklich eisern, die warten stundenlang.

Ich habe mir einmal eine Händeloper angeschaut, die Musik war nicht so mein Fall. Ob ich Maestro sage zum neuen Chef? Nein, wenn er kommt, begrüße ich ihn einfach mit ,Herr Nagano'. Hier lernst du viele Menschen kennen. Ich sage immer: alle Sorten."

Organisator

Johannes Backhaus, 43, Leiter des Orchesterbüros: "Als ich vor fünf Jahren als Orchestermanager anfing, hätte ich nicht gedacht, dass ich mal indisches Zollrecht kennenlernen würde. Im Ernst, indisches Zollrecht! Beim Gastspiel in Neu Delhi war die Ein- und Ausfuhr der Instrumente eine komplizierte Angelegenheit, gelinde gesagt.

Ich bin zuständig für alle administrativen Fragen des Staatsorchesters. Beschaffung von Aushilfsmusikern, Aufstellung im Orchestergraben. Wenn Samstagmorgen ein Bläsersolist absagt, muss das Gastspiel am Abend trotzdem laufen. Tja, dann mach' ich mich an die Arbeit.

Oder früher, die Dirigierstäbe von Zubin Mehta: Bloß nicht vergessen, immer ein Ersatzexemplar in Reichweite des Pults zu platzieren! Der schönste Moment ist für mich abends, wenn die ersten Töne erklingen. Dann denke ich: ,Jetzt sitzen sie, jetzt geht es los, jetzt ist alles in Ordnung."

Meisterin Zwirn

Renate Ostruschnjak, 52, Herrengewandmeisterin: "Das Tolle in unserer Abteilung ist: Man hat mit Schnitten und Stoffen zu tun, die einem in der ganz normalen Konfektion kaum unterkommen. Kashmir mit Nerzbeimischung, ganz was Edles, oder extra bemalte Textilien.

Und natürlich alle Epochen, von der Tunika über den Gehrock bis zum modernen Maßanzug. Bei der Endprobe sind wir immer dabei, und das ist ein genialer Nebeneffekt unserer Arbeit: diese wunderbare Musik hören zu können.

Bei den Sängern muss man achtgeben, dass beim Hemdkragen immer mindestens zwei Finger dazwischenpassen - der Kehlkopf schwillt an beim Singen. Ich mag die Atmosphäre hier im Haus. Alle Nationen sind vertreten, Europäer, Asiaten, Afrikaner. Und wenn eine neue Produktion gut über die Bühne geht, denken alle: ,Toll, wie es am Ende dann doch wieder geklappt hat!'"

Sinnestäuscherin

Silke Holzach, 32, Video- und Medienabteilung: "Tagsüber, wenn bei mir die Tür offensteht, kommen manchmal Leute und sagen: ,Toll, von hier aus würde ich auch gern die Vorstellung sehen.' Ich habe natürlich den Idealblick nach vorne. Die Medienabteilung gewinnt immer mehr an Bedeutung, in vielen Inszenierungen an der Oper geht es zunehmend um virtuelle Bühnenbilder.

Ich projiziere kurze Filme oder Standbilder auf die Bühne, und das hat viel mit Experimentieren zu tun. Genau das gefällt mir. Texte, die eingeblendet werden, Wolken als Hintergrund, für das Stück ,Liebe.

Nur Liebe' habe ich eine Verfolgungsjagd gedreht - so was suggeriert zusätzlich bestimmte Stimmungen. Vielleicht ist bei den Menschen heute die Reizschwelle einfach höher. Aber man darf nicht übertreiben. Wir wollen den Zuschauer nicht überladen, sonst ist es bloß noch Kino mit Musik."

Messerhelden

Dittmar Gotzmann, 36, (links) und Thomas Straßer, 35, Rüstmeister: "Wir sorgen für alles, was aus Metall ist. Flügel, Reifröcke, Rüstungen. Und in unserem Fundus haben wir so einiges an Blank- und Schusswaffen. Säbel, Florette, osmanische Steinschlosspistolen.

Den klassischen Schiebedolch für Bühnenselbstmörder, die Klinge verschwindet im Schaft. In den Geigenkasten haben wir ein Maschinengewehr eingebaut, à la Mafia in den Zwanzigern. Regisseure kennen ja oft bloß die Begriffe Schwert und Messer.

Wir wissen dann schon, was sie meinen und suchen das richtige aus. Wenn sich in einem Stück einer per Kopfschuss selbst erledigt, kann natürlich nicht der Sänger abdrücken. Geht ja nicht, viel zu laut, und es kann richtig gefährlich sein. Also schießen wir, von der Seitenbühne aus. Deshalb mag uns keiner! Die anderen sagen, bei euch ist mit einem Bumms das ganze Haus wach."

Schönheitskünstler

Achim Meier, 56, Chefmaskenbildner: "Beautyschminken ist eine unserer Aufgaben, also jemanden schön machen. Du musst ein Gesicht lesen können und das tun, was gut aussieht. Und dann gibt es größere Herausforderungen:

Im ,Faust' zum Beispiel durchlebt der Mephisto in drei Stunden vier Alterungsprozesse, das ist ein schönes Stück Arbeit. Und es muss ja natürlich aussehen. Ein paar Sachen haben wir drauf, die sind richtig gut, zum Beispiel Glatzen kleben. Da ist der Überraschungseffekt selbst bei erfahrenen Sängern immer wieder groß.

Natürlich arbeitet man auch mit Tricks: Dem Gummikopf des enthaupteten Jochanaan stecken wir ein Blutsäckchen in den Mund, den die liebestolle Salome beim Kuss sozusagen auszutzelt, damit ihr dann auch Blut aus dem Mund läuft. Das Ganze ist aus Marzipan, sonst beißt die uns da nicht rein. Auf so etwas muss man erstmal kommen."

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