Oldtimer-Treffen:Von wegen abgewrackt

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"Da merkt man noch, dass man in einem Auto sitzt": Blankpolierte Blechkarossen und leidenschaftliche Experten beim Oldtimer-Treffen auf der Theresienwiese.

Michael Tibudd

Die vier Männer aus Mühldorf verfallen nach ihrer Ankunft auf der Theresienwiese erst einmal in kollektives Kopfschütteln. "Da geht doch wirklich der Sinn verloren", sagt Markus Mandl beim Anblick der beiden Fahrzeuge, die da ein paar Meter weiter abgestellt sind.

Eine bunte Gesellschaft: Auf der Theresienwiese treffen sich die Fahrer der unterschiedlichsten Altautos. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Er und seine Kompagnons schauen auf zwei Dreier-BMW-Cabrios. "Die sind vielleicht Baujahr '90, '91", sagt Mandl. "Aber das soll doch hier eine Oldtimer-Veranstaltung sein." Bei einer Veranstaltung der Oldtimer-Freunde Mühldorf, das stellen die Männer klar, würde es das so nicht geben. "Bis Baujahr 1974" lautet denn auch die strenge Grundregel für ihren Teilemarkt daheim am Inn am kommenden Wochenende, Mindestalter der Autos: 35 Jahre.

Man sieht: Es gibt ein Definitionsproblem für das, worum sich an diesem Sonntagvormittag auf der Theresienwiese tausende Zuschauer drängen. Hunderte alte Autos stehen da geparkt, und der veranstaltende Automobil-Club München hat die Kriterien für die Teilnehmer eben eher weit ausgelegt: "Historische Fahrzeuge aller Epochen und Kategorien" sind laut Werbeplakat willkommen. Da mögen die Mühldorfer noch so sehr die Nase rümpfen.

"Dann fall ich um"

Unter den Altauto-Besitzern gelten sowieso meist andere Ansprüche. Die einen wollen unter sich sein, wie etwa die Herren vom BMW-E9-Coupé-Club Deutschland. Thomas Wemmer aus Eichstätt mit seinem hellblauen Prachtexemplar bittet Fahrer anderer Fabrikate freundlich, Platz zu lassen für die Club-Kollegen, "wir haben extra einen Fotografen da", bittet er um Verständnis - er hofft auf ein Bild mit möglichst vielen seiner Traumautos nebeneinander.

Andere legen hingegen Wert auf Einzigartigkeit. "Wenn das stimmt, dann fall ich um", sagt Gerd mit seinem Oldsmobile 442 in Sherwood-Grün von 1970, eine amerikanische Protzkarre wie aus dem Katalog. Gerade hat ihm ein Bewunderer gesagt, er habe da vorne "den Gleichen" gesehen. "In Deutschland hab ich den einzigen von dem Typ", insistiert Gerd, der sein Geld mit dem Handel von Brustimplantaten verdient und in seinem motorgetunten Oldsmobile ("550 bis 600 PS") "schon mal eben einen Porsche" abhängen kann.

"Alles original"

Den Motor auftunen, das kommt für die Gebrüder Gerd und Fred Stiller aus Eggenfelden nicht in Frage. "Alles original", beschreibt Gerd Stiller den hellgrünen BMW 1502. 2005 haben die beiden das Gefährt von ihrem damals verstorbenen Bruder geerbt, der es 1975 neu gekauft hat und seitdem nur bei schönstem Wetter damit auf die Straße gefahren ist. So ist auch der glänzende Zustand zu erklären. Stilecht fährt auf der Hutablage ein Wackeldackel mit, daneben haben sie noch ein originalgetreues Modell ihres Fahrzeugs montiert.

In einer dezenten, aber doch nicht ganz unbedeutenden Variation des Originalzustands kommt der MG Roadster Typ A von Josef Untereichmeier aus Tulling im Landkreis Ebersberg daher. Mit 120 PS starkem Motor und extraflacher Windschutzscheibe waren die Flitzer in den sechziger Jahren bei den Le-Mans-Rennen unterwegs. Untereichmeier hat seinen MG entsprechend umgebaut und ist an diesem Sonntag schon mit Tempo 200 über die Autobahn nach München gefahren. "Da merkt man noch, dass man in einem Auto sitzt", sagt er nach dieser Fahrtwind-Strapaze. "Mercedes-Maßstäbe darf man da natürlich nicht anlegen."

Aber für Mercedes-Maßstäbe gibt es ja die Mercedes-Fahrer, und ganz besonders hoch legt diese Maßstäbe Franz Bischof mit seiner Staatskarosse: "Modell Adenauer" heißt sein 300D mit 160 PS - jener fast kugelförmige Typ, auf dessen Rückbank der erste Kanzler der Republik während seiner Fahrten das Raumgefühl eines Wohnzimmers erleben durfte. Auf der Theresienwiese im Jahr 2009 ist der Adenauer-Benz ein großer Hingucker. Franz Bischof, der das Auto schon seit 25 Jahren hegt und pflegt, ist darauf sichtlich stolz und lässt alle Interessierten gerne probesitzen.

"Wider den Geist der Zeit"

Aber nicht nur der individuelle, auch der öffentliche Verkehr hat seine Historie, und die demonstriert beim Oldtimer-Treff Christian Schaa. Der 50-Jährige lenkt im Alltag für die MVG moderne Busse. In seiner Freizeit arbeitet er beim Omnibus-Club München mit und kümmert sich um Exemplare aus der Vergangenheit.

Zum Treffen ist er in einem MAN 750 HO von 1967 gekommen, der bis Ende der achtziger Jahre im Liniendienst unterwegs war. Das große Gefährt zieht leidenschaftliche Busfahrer ebenso an wie Autos deren Liebhaber, und so erkennt etwa Christian Karl das Ausstellungsstück wieder: "Genau in dem hab ich vor 24 Jahren meine Fahrschul-Ausbildung gemacht."

Wenn sich diese bunte Gesellschaft auf etwas einigen könnte, dann wohl am ehesten auf den Spruch, den der Fahrer eines Austin Six ans Heck des englischen Vorkriegsfahrzeugs von 1933 geklebt hat: "Wider den Geist der Zeit", steht da geschrieben, "Nein zur Abwrackprämie."

© SZ vom 20.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Oldtimer-Treffen in München
:Von wegen abgewrackt

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Alessandra Schellnegger
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