Niznansky-Prozess:"Es war Krieg, mein Gott, es war Krieg"

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Der Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky droht zu einem Verwirrspiel zu werden. Der Hauptbelastungszeuge Jan Repasky, 79, hat gestern seine früheren Aussagen zunächst deutlich abgeschwächt. "Ich kann nicht behaupten, ob er geschossen hat oder nicht", entlastete der Zeuge den Angeklagten. Später schwenkte er wieder um und belastete Niznansky schwer.

Von Alexander Krug

Die Zeugenaussage Repaskys war mit Spannung erwartet worden, weil er bislang der einzige ist, der in den Vorermittlungen den Angeklagten konkret belastet hatte. Niznansky ist angeklagt, im Januar und Februar 1945 in drei slowakischen Dörfern mit der Einheit "Edelweiß" insgesamt 164 Menschen getötet zu haben.

Der Angeklagte Ladislav Niznansky (Foto: Foto: AP)

Repasky war damals Mitglied der slowakischen Abteilung von "Edelweiß" unter dem Kommando von Niznansky. Man habe sie ihn diese Einheit gelockt mit dem Versprechen, nur Brücken, Tunnels und Straßen bewachen zu müssen, so der damals 19-jährige. Plötzlich hieß es, sie müssten gegen Partisanen kämpfen: "Man hat uns benutzt."

Repasky wurde im Rollstuhl in den Sitzungssaal geschoben, nachdem der sich überraschend doch noch zu einer Aussage in München bereit erklärt hatte. Ursprünglich hatte er die Reise abgelehnt, seine Vernehmung sollte daher per Video-Konferenzschaltung erfolgen. Der 79-Jährige, der nach dem Krieg bei der Eisenbahn arbeitete, machte einen mitunter verwirrten Eindruck und verwechselte immer wieder Namen, Orte und Daten.

1962 war Repasky von einem slowakischen Gericht zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Damals hatte er gestanden, an den Massakern beteiligt gewesen zu sein. Niznansky habe befohlen, dass "keine lebendige Seele entkommen" dürfe. Bei einer erneuten Vernehmung im Dezember 2001 durch eine slowakische Staatsanwältin hatte er diese Aussage präzisiert und erklärt, dass Niznansky in Ostry Grun eigenhändig mit einer Maschinenpistole 20 Menschen erschossen habe.

Von diesen Aussagen rückte Repasky gestern zunächst wieder ab. Seine eigene Person schonte er dabei nicht. Er bestätigte, dass "Edelweiß" für die Massaker in Ostry Gun und Klak verantwortlich war. Mit dabei soll auch eine Gruppe deutschstämmiger Bewohner aus der Umgebung gewesen sein, der so genannte deutsche Heimatschutz. "Ich habe selber gesehen, wie geschossen wurde." Auch er selbst habe gefeuert und dabei Menschen getötet.

"Ich kann mich aber nicht erinnern, wie viele es waren." Er habe tote Männer, Frauen und Kinder auf den Straßen gesehen, die Häuser seien danach in Brand gesteckt worden. "Es hieß, wenn wir nicht schießen, werden wir erschossen", sagte Repasky. Wer das gesagt habe, wollte der Richter wissen. "Na, der da", erwiderte Repasky und nickte kurz in Richtung des Angeklagten. "Auch er war dort, mein Gott, mein Gott."

Wenig später jedoch revidierte er diese Aussage und meinte, er wisse "nicht hundertprozentig", ob Niznansky in den Dörfern dabei war. Warum er selbst denn Menschen getötet habe, hakte der Richter nach. "Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, es war Krieg, es war Krieg!"

Am Nachmittag schwenkte der Zeuge plötzlich wieder um. "Es ist schon wahr, dass er geschossen hat. Wie viele er getötet hat, weiß ich nicht", meinte Repasky plötzlich, "ich habe sie nicht gezählt." Auf Nachfragen der Richter behauptete er nun, dass außer Niznansky auch der deutsche Befehlshaber von "Edelweiß", Major Erwein Graf Thun-Hohenstein, geschossen habe. Seine Gruppe habe den Befehl bekommen, aufzupassen, damit niemand aus dem Dorf entkomme.

Repasky ist bislang der einzige, der seine Teilnahme an den Massakern zugibt. Alle anderen mutmaßlichen Edelweiß-Mitglieder haben bisher bestritten, überhaupt in den Dörfern gewesen zu sein. Er habe damals gegen seinen eigenen Vater kämpfen müssen, so Repasky, der sei nämlich Mitglied bei den Partisanen gewesen. Ein Pfarrer habe ihm ausdrücklich versichert, es sei keine Sünde, auf den eigenen Vater zu schießen. Die Erinnerung daran ließ den Zeugen schaudern: "Es wäre am Besten gewesen, ich hätte mir eine Kugel in den Kopf geschossen." Die Vernehmung Repaskys wird fortgesetzt.

© SZ vom 12.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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