Nigel Kennedy:Spaßvogel im Sturzflug

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Nigel Kennedy als peinlicher Entertainer im Herkulessaal.

RALF DOMBROWSKI

Nigel Kennedy will ein Spaßvogel sein. Aber er wirkt wie ein Tollpatsch. "Bachs Partita d-moll. Wer von ihnen hat das Werk schon einmal gehört?", fragt er dröge scherzend das Publikum im Herkulessaal und erntet ein gedämpftes Seufzen.

Mehr Tollpatsch als Spaßvogel: Nigel Kennedy. (Foto: N/A)

Bach also. Kennedy nähert sich dem Glanzstück der Geigenliteratur mit verblüffender Naivität. In Zeiten, wo jeder bessere Hochschulabsolvent die Partita - mit Ausnahme der mehrstimmigen Ciaconna vielleicht - technisch sauber vorweisen kann, schlampt der britische Violinberserker sich nachlässig intonierend durch den Notentext.

Das mag noch angehen, solange er damit etwas mitzuteilen hat. Kennedys Problem liegt jedoch tiefer. Im Kern weiß er nicht, was er mit seinem Instrument anfangen soll. Er hat keinen Ton, keine Beziehung zum Werk, kein Konzept, das über die burschikose Provokation hinaus Bach eine ungewöhnliche Dimension abzugewinnen vermag. Er versteht sich als Entertainer.

"Kind Of Blue" verhunzt

Das ist im Fall der Partita ärgerlich, im zweiten Teil des Konzertes jedoch nur noch peinlich. Denn Kennedy vergeht sich in Ermangelung stilistischen und interpretatorischen Feingefühls an der bekanntesten Platte der Jazzgeschichte, an Miles Davis' "Kind Of Blue".

Sekundiert von einem zweitrangigen polnischen Trio um den Gitarristen Jarek Smietana verhunzt er "Freddie Freeloader" zum Kreuzfahrtswing, "All Blues" zur altbackenen Fusion-Adaption, und er entzaubert Ellingtons "Mood Indigo" in einer anbiedernden Duo-Version.

Jazzende Grundqualifikationen fehlen

Dabei wird klar, dass Kennedy jazzende Grundqualifikationen fehlen. Seine Motivarbeit etwa geht gegen null, die Licks klingen gelernt und die Improvisationen schematisch wie aus Aebersolds Notenschule.

So ist sein Konzert ein Beispiel für einen in künstlerischen Realitätsverlust mündenden Dilettantismus, den weder Bach, noch Miles Davis oder gar Duke Ellington verdient haben. Wird Zeit, dass Kennedy sich in Klausur begibt und darüber klar wird, was er denn eigentlich will.

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