Neue Währung:Die Globalisierungs-Verweigerer

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Münchner Unternehmer wollen mit dem ,,Regio'' gesunde örtliche Wirtschaftskreisläufe entstehen lassen.

Michael Ruhland

München bekommt seine eigene Regionalwährung. Von Januar 2007 an will eine Gruppe von Münchner Unternehmern neben dem Euro ein neues Zahlungsmittel etablieren, mit dem jeder Bürger bei den teilnehmenden Firmen einkaufen kann.

Isabella Weiss (links) und Christiane Klees wollen der Globalisierung etwas entgegensetzen. (Foto: Foto: Robert Haas)

Ziel ist es, Kaufkraft in der Münchner Region zu binden und ,,in sich gesunde Wirtschaftskreisläufe'' entstehen zu lassen. Der ,,Regio in München'' hat zudem eine soziale Komponente.

Im September haben elf Münchner ,,Das Verbindungswerk'' ins Leben gerufen. Die Genossenschaft versteht sich als Netzwerk für Unternehmer, das sich dem Prinzip der Kooperation statt der Konkurrenz verschreibt. Zentraler Punkt ist der verantwortungsbewusste Umgang mit Geld.

Das pervertierte System

"Das herkömmliche System hat sich verselbstständigt'', sagt Isabella Weiss, Initiatorin des Verbindungswerks. Allein die Tatsache, dass die 400 reichsten Menschen der Welt laut Forbes Magazine so viel besitzen wie die Hälfte der Menschheit, entlarve das System als ,,pervertiert''. Zins und Zinseszins bedingten ein exponentielles Wachstum, das sich jeder Kontrolle entziehe.

,,Das ist wie Krebs'', sagt Rolf Merten. Das Geldsystem bedinge eine immer stärker werdende Polarisierung von Reich und Arm und führe zwangsweise in den Kollaps: ,,Wir sind gewissermaßen in der Endphase eines Monopolyspiels.''

Der Diplom-Psychologe hat vor zwei Jahren in Wolfratshausen den ,,Regio im Oberland'' aus der Taufe gehoben - mit wachsendem Erfolg. Mehr als siebzig Firmen, Geschäfte, Gasthäuser, Arztpraxen und Dienstleistungsbetriebe im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen akzeptieren inzwischen den Regio als Zahlungsmittel.

Den Münchnern ist er Beispiel und Vorbild. Der entscheidende Unterschied zum Euro: Der Regio kann nicht verzinst werden. Geld soll wieder auf den ursprünglichen Zweck zurückgeführt werden, also ein universelles Tauschmittel sein. Man hortet es nicht, sondern lässt es, salopp gesagt, möglichst oft über eine Ladentheke wandern.

Impulse zum Arbeiten

,,Nicht das Geld arbeitet für uns, sondern wir geben mit einer ganz bewussten Kaufentscheidung Impulse zum Arbeiten'', erklärt Weiss. Im Klartext: Wer mit dem Regio ein Regal beim Schreiner um die Ecke bestellt, zahlt zwar mehr. Er sichert aber Arbeitsplätze und gibt dem Handwerker die Möglichkeit, junge Leute auszubilden

Und der Schreiner wiederum kauft sein Holz beim Waldbauern aus der Region. Vorausgesetzt, beide machen bei der Genossenschaft mit. Denn nur so können sie zu Akzeptanzstellen für den Regio werden.

,,Wir wollen dem Thema Globalisierung etwas entgegensetzen'', sagt Fritz Schlund. Der Inhaber der Mühlenbäckerei ist Gründungsmitglied des Verbindungswerks. Seinen Betrieb hat er schon vor zwanzig Jahren auf Bio-Erzeugnisse umgestellt: ,,Damals war meine Intention: So kann es nicht weitergehen.''

Dieses Gefühl treibt ihn auch dieses Mal wieder um. Teilweise kämen die tiefgefrorenen Teiglinge nun schon aus China nach Deutschland und würden in irgendeinem Backshop in den Ofen geschoben. Mit dem Regio entscheide man bewusster, wo man kaufe und sichere die Wertschöpfung in der Region. Ihm gehe es darum, ,,einen kleinen Beitrag für die Gesundung der Erde zu leisten''.

Isabella Weiss, ausgebildete Schneidermeisterin, war eine Zeitlang als Fachberaterin für Finanzdienstleistungen tätig und verkaufte Direktversicherungen. Bis sie merkte, dass an Fondsrenditen von zehn, zwölf Prozent irgendetwas faul sein müsse.

Unter die Räder gekommen

,,Alles in der Natur hat sein Verfallsdatum, nur Geld wird mehr, wenn man es liegen lässt'', sagt Weiss. Sie berät jetzt seit einigen Jahren Menschen, die unter die Räder des Geldsystems gekommen sind. Münchner, die sich verschuldet haben, ihre Arbeit verloren, Konkurs anmelden mussten.

Der Regio bricht in einem weiteren Punkt mit den herkömmlichen Regeln: Er verliert an Wert, wenn man ihn nicht unter die Leute bringt. Was auf den ersten Blick widersinnig erscheint, hat Kalkül: Vierteljährlich muss der Nutzer eine Wertmarke aufkleben, sonst wird der Schein bei den teilnehmenden Unternehmen nicht mehr akzeptiert.

,,Damit sichern wir, dass die Regios im Umlauf bleiben'', erklärt Rolf Merten. Und die heimische Wirtschaft ankurbeln. Das Geld, das der Regio-Nutzer für die Wertmarken (die zugleich als Kleingeld fungieren) zahlen muss, geben die Wolfratshauser an gemeinnützige Organisationen weiter.

In München, berichtet Isabella Weiss, kommen die Erlöse als erstes dem Verein Green City zugute. Der kümmert sich um ökologische Stadtgestaltung, Klimaschutz und nachhaltige Mobilität.

Im städtischen Wirtschaftsreferat beurteilt man die Initiative durchaus wohlwollend. ,,Die Stärkung der lokalen Ökonomie ist ein berechtigtes Anliegen, das wir in einem sinnvollen Umfang ideell unterstützen werden'', sagt der Wirtschaftsförderer Kurt Kapp.

Man müsse aber gerade in München, das in die Weltfinanzströme eingebunden sei, die Grenzen erkennen. Das tut Isabella Weiss offensichtlich: ,,Wir werden natürlich nicht jeden Münchner erreichen.''

© SZ vom 19.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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