Neue Impulse für den Klimaschutz:Energie aus Elefantendung

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Sonne, Wind, und Wasser werden in München als alternative Energieformen bereits gefördert und genutzt. Jetzt hat die Stadt ein weiteres Potential zur Energiegewinnung entdeckt: Biomasse.

Von Dominik Hutter

Das augenfälligste Symbol ragt, Basis-Hügel inklusive, 140 Meter in den Münchner Himmel. Zugegeben: Das heimische Windrad ist das einzige weit und breit und nur eines von mehr als 15.000 in Deutschland. Aber käme einer der Teilnehmer der Bonner Konferenz für erneuerbare Energien auf die Idee, über die Autobahn gen Schwabing zu brausen, so würde ihm doch auf Höhe Fröttmaning signalisiert, dass auch im windgeschützten Bayern die Luftströmung ausgenutzt wird. Im bescheidenen Maße freilich: Rund 2.300 Megawattstunden Energie erzeugt die 1999 aufgestellte Anlage pro Jahr - genug, um 1.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

In München gibt es nur eins, in ganz Deutschland 15.000: Windräder erzeugen Energie (Foto: Foto: ddp)

Und genug, um wirtschaftlich zu arbeiten, wie die Stadtwerke versichern. Dennoch ist klar: Das Windrad im Münchner Norden dient in starkem Maße dem Demo-Effekt. Ohnehin hat sich das Thema Windenergie in München mit dieser einzigen Anlage erschöpft. "Das ist der einzig denkbare Standort", meint Stadtwerke-Versorgungschef Stephan Schwarz.

Wie gut, dass es noch weitere Formen umweltfreundlicher Energien gibt. Das in Alpennähe sehr muntere Wasser etwa, das mit 98 Prozent den mit Abstand größten Anteil am Münchner Öko-Strom hat. Zwei neue, kleinere Wasserkraftwerke sind laut Schwarz geplant - dann ist auch in diesem Bereich Schluss.

Die Stadtwerke haben zudem erst im Mai ein neues Solarenergie-Förderprogramm ins Leben gerufen. Derzeit speisen immerhin schon 736 Solarstromanlagen die Kraft der Sonne ins Stromnnetz - Folge auch der vielen Förderprogramme von Stadt und Bund. Nach Angaben des Umweltschutzreferats wurden allein über das "Münchner Förderprogramm Energieeinsparung" seit 1989 rund 17,5 Millionen Euro ausgezahlt.

Diese Summe, mit der neben Solaranlagen auch Wärmedämmung oder der Anschluss ans Fernwärmenetz unterstützt werden, hat Umwelt-Investitionen von mehr als 180 Millionen Euro ausgelöst und der Atmosphäre bislang rund 256.000 Tonnen Kohlendioxid erspart. Seitdem stehen auf zahlreichen Dächern Solarpaneele, viele Bürger haben Anteile an Großanlagen erworben.

Star unter den Münchner Photovoltaikanlagen ist ganz klar die 38.100 Quadratmeter umfassende Platten-Landschaft auf dem Dach der Münchner Messe, die weltweit größte aufgeständerte Anlage dieser Art. "München ist unter den Großstädten ganz vorne mit dabei", schwärmt denn auch Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus, der gerade selbst in ein Energiesparhaus umgezogen ist. Und auch der Bund Naturschutz lobt das Münchner Engagement. "Der Elan darf aber nicht nachlassen", mahnt Sprecher Martin Hänsel.

Denn künftig müssen neue Wege müssen beschritten werden, und SPD-Stadtrat Sven Thanheiser hat schon einen im Sinn: Biomasse. "Das Potenzial reicht aus, um ein Drittel des deutschen Energiebedarfs zu decken", schwärmt der Umweltpolitiker. Prinzip: Verbrennung, Vergärung oder Vergasung natürlicher Materialien wie Holz, Mist und Kompost - oder, Thanheisers Favorit, eigens angebauter Energiepflanzen. Schon im kommenden Jahr wollen die Stadtwerke mit Kompost und Elefantendung den Anfang machen - mit einer (vor allem auf Show ausgelegten) Pilotanlage im Tierpark, die vor allem in einem eigens errichteten Biomasse-Kraftwerk im Tierpark Kompost und Elefantendung verfeuern soll.

Derweil wird, als Ergebnis eines einstimmigen Stadtratsbeschlusses, das Biomasse-Potenzial per Studie erforscht. "Da wollen wir richtig durchstarten", versichert Grünen-Mann Mühlhaus. Energiepflanzen könnten etwa auf brach liegenden Landwirtschaftsflächen angebaut werden - eine schöne Einnahmequelle für die Bauern. "Es muss wirtschaftlich sein, sonst funktioniert es nicht", meint Thanheiser, der die weit verbreitete Konzentration auf Wind, Wasser und Sonne als "Unsinn" betrachtet.

Mit vielen Experten ist er sich einig: "Die Biomasse ist es." Naturschützer Hänsel hingegen setzt mehr auf Geothermie - der Nutzung der Erdwärme. Das erste Münchner Beispiel geht in der Heizperiode 2004/2005 ans Netz: zwei bis zu 3.000 Meter tiefe Löcher in Riem, durch die 90Grad heißes Wasser gefördert und zum Beheizen eines Teils der Messestadt genutzt wird.

Der umweltfreundlichste Energieverbrauch, darauf weisen Naturschützer ausdrücklich hin, ist aber der vermiedene Energieverbrauch. Denn der mit viel Mühe erzielte Gesamt-Anteil der Öko-Quellen ist mit knapp sechs Prozent doch recht bescheiden. Der sehr große Rest des Münchner Stroms stammt weiter aus Kohle, Erdgas und Atomenergie. Da lässt sich schon mit kleinen Effizienz-Steigerungen sehr viel bewirken.

Wilko Meinhold spart daher lieber beim Verbrauch. Gemeinsam mit einem befreundeten Paar bauen der Rechtsanwalt und seine Frau derzeit im Lehel ein siebengeschossiges Wohn- und Geschäftshaus, das so ausgeklügelt gedämmt und mit Wärmetauschsystemen ausgestattet ist, dass es nahezu den hohen Passivhaus-Standard erreicht. Moderne, nur drei Zentimeter dicke Vakuum-Dämmplatten, die kompakte Würfelform und die Ausrichtung der Fenster garantieren einen Energieverbrauch, der bei mehrgeschossigen Häusern im Innenstadtbereich bisher unerreicht ist.

Im Keller befindet sich lediglich ein Blockheizwerk im Format Einfamilienhaus, das die Strom-Grundlast und den Großteil der Wärme in einem Aufwasch erzeigt. Lediglich im strengen Winter wird mit einer kleinen Gastherme zugeheizt. Nicht schlecht für ein komfortables und helles Gebäude, dessen Büro-Etagen zusätzlich mit einer "natürlichen", per Wärmetausch arbeitenden Kühlung ausgestattet sind.

"In diesen Dingen steckt das wahre Potenzial", weiß Naturschützer Hänsel - weil es insgesamt um ganz andere Größenordnungen geht. Was Meinhold im kleinen Maßstab in seinem Keller betreibt, entspricht der "großen" Kraft-Wärme-Kopplung, in die die Stadtwerke in den vergangenen Jahren Millionen investiert haben und bei der die Abwärme der Stromerzeugung umweltfreundlich für Heizung und Warmwasser genutzt wird. Jährliche CO2-Einsparung: eine Million Tonnen. Das weltgrößte Solardach erreicht nur 1000 Tonnen.

© SZ vom 4.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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