Neonazi-Prozess:"Es gab keine Anschlagspläne"

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Erstmals hat sich der Hauptangeklagte um das geplante Attentat auf das jüdische Zentrum geäußert. Den bei ihm gefundenen Sprengstoff will Martin Wiese für einen anderen Zweck besorgt haben.

Von Alexander Krug

Der mutmaßliche Rädelsführer der rechtsextremen "Kameradschaft Süd", Martin Wiese, hat sich gestern im Prozess am Bayerischen Obersten Landesgericht erstmals zu den Vorwürfen der Anklage geäußert. "Es gab niemals Anschlagspläne oder Vorbereitungen dafür", sagte Wiese.

Der 28-Jährige räumte zwar ein, sich Sprengstoff und Waffen in Brandenburg besorgt zu haben. Doch diese seien nicht für einen Anschlag anlässlich der Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum gewesen. Er habe das Sprengmaterial verkaufen wollen, um damit "meine späteren politischen Aktivitäten zu finanzieren". Weitere Angaben machte Wiese nicht, kündigte aber für den 2. Februar eine ausführliche Erklärung an.

Prozess-Fragen im Vordergrund

Der 8. Verhandlungstag stand gestern ganz im Zeichen prozessualer Fragen, die sich seit der schweren Erkrankung von Wieses Anwältin Anja Seul ergeben haben. Seul war in den Weihnachtstagen zusammengebrochen und liegt seither in einer Klinik. Zeitweise drohte der Prozess deshalb zu platzen.

Schließlich beantragte Anwalt Gerald Aßner beim Senat, als Wieses Pflichtverteidiger bestellt zu werden. Da Aßner aber bislang den Mitangeklagten Karl-Heinz St. vertreten hatte, zeichnet sich hier eine Interessenkollision ab. Dieser Problematik sei er sich bewusst, erklärte Aßner. Gleichwohl wolle er die Verteidigung Wieses übernehmen, da sich die Aussagen seines bisherigen Mandanten St. und die von Wiese decken würden. "Da gibt es keinen Widerspruch", so Aßner. Wiese und Karl-Heinz St. erklärten sich ausdrücklich mit dem Prozedere einverstanden.

Um sich gegen eventuelle standes- oder strafrechtliche Konsequenzen "abzusichern", forderte Aßner gleichwohl, einen zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen. "Ich kann nicht alleiniger Anwalt von Herrn Wiese sein." Er wolle sich selbst um einen zweiten Verteidiger bemühen und habe auch schon jemanden im Auge, erklärte Aßner. Dieser neue Anwalt stamme jedoch nicht aus München und müsse sich auch erst in das Verfahren einarbeiten. Bis zum nächsten Termin am 19. Januar will Aßner den zweiten Anwalt präsentieren.

Keine Aussagegenehmigung für V-Mann

Unterdessen hat das Bayerische Innenministerium es abgelehnt, dem Verfassungsschützer, der den V-Mann Didier M. lenkte, eine Aussagegenehmigung zu erteilen. Didier M. war vom Bayerischen Verfassungsschutz in die Neonazi-Szene eingeschleust worden. Seine Rolle ist umstritten, da er sich an der Waffenbeschaffung der Gruppe im April 2003 beteiligt hatte. Aus Sicht der Anwälte gilt es aufzuklären, welche konkrete Rolle Didier M. in der Gruppe gespielt hat und ob er möglicherweise als eine Art Agent Provocateur die Angeklagten zu strafbaren Handlungen angestiftet hat.

© SZ vom 12.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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