Neonazi-Prozess:"Es gab keine Anschlagspläne"

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Alles war ganz anders: Der mutmaßliche Haupttäter Martin Wiese habe niemals ein Attentat auf das jüdische Zentrum im Sinn gehabt, behauptet einer der Mitangeklagten. Und die "Kameradschaft Süd" sei keine terroristische Vereinigung, sondern habe andere sogar von Gewalt abhalten wollen.

Der Neonazi Martin Wiese hat im Prozess um den geplanten Bombenanschlag auf das neue Jüdische Zentrum in München erneut Unterstützung von einem Mitangeklagten bekommen. Es habe "nie eine Planung für irgendeine Sprengstoffexplosion oder gar einen Anschlag gegeben", sagte der 24-jährige Karl-Heinz Statzberger am zweiten Verhandlungstag in München. Die Neonazi-Gruppe "Aktionsbüro Süd" sei "keine terroristische Vereinigung", sondern habe sogar andere von Gewalt abgehalten. Ähnlich hatte sich bereits ein weiterer Angeklagter geäußert.

Die Angeklagten im Münchner Neonazi-Prozess: David Schulz, Karl-Heinz Statzberger, Alexander Maetzing und Martin Wiese (v.l.) (Foto: Foto: AP)

Wiese und drei seiner Stellvertreter stehen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht. Laut Anklageschrift bereitete die rechtsextremistische Kameradschaft Umsturzpläne vor. Demnach wollten die Neonazis vor oder bei der Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum am 9. November 2003 eine Bombe hochgehen lassen.

Den vier Angeklagten zwischen 21 und 28 Jahren werden weiter Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz sowie illegale Sprengstoffbeschaffung zur Last gelegt.

Waffen für den Nervenkitzel

Statzberger erklärte vor Gericht an, die Gruppe habe Waffen und Sprengstoff nur "zum Nervenkitzel" besorgt. "Es war nie das Ziel, die Demokratie mit terroristischen Straftaten zu beseitigen", sagte der Zimmererlehrling. Die so genannte Schutzgruppe, der innere Führungszirkel um Wiese, habe sich auf Einsätze bei Demonstrationen vorbereitet, wo Neonazis öfters von politisch Andersdenkenden angegriffen würden.

Laut Bundesanwaltschaft übte die Gruppe mit Soft-Air-Pistolen für einen Anschlag mit scharfen Waffen. Statzberger sagte dazu, die wöchentlichen Übungen hätten "der Körperertüchtigung und der Vorbereitung für den Selbstschutz" gedient. Der 24-Jährige sagte weiter: "Ich habe mich von Gewalt und allem distanziert". Wenn der Prozess vorbei sei, wolle er eine Lehre machen. "Das ist für mich das Wichtigste."

Frühere Anschuldigungen zurückgenommen

Der mitangeklagte Alexander Maetzing, der bereits zum Prozessauftakt frühere Anschuldigungen gegen Wiese zurückgenommen hatte, bestritt erneut die Vorwürfe. In der Vernehmung habe der 28-Jährige die Anschlagspläne eingeräumt, weil er von den Beamten falsch informiert worden sei, sagte sein Verteidiger am Rande des Verfahrens. Zudem sei er bei dem Verhör übermüdet gewesen. Ein Brief Maetzings an seine Freundin, in dem er sich und Wiese als Hauptschuldige bezeichnete, habe keinen Wahrheitsgehalt, sagte der Anwalt.

Maetzings Freundin Ramona Sch. und vier weitere Führungsmitglieder der Neonazi-Gruppe stehen in einem separaten Verfahren seit Oktober vor Gericht. Für Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden.

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