Nationalsozialismus in München:Auf den Spuren der braunen Vergangenheit

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München ist wie keine andere Stadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden. Das Kulturreferat stellt nun einen "Themen-Geschichts-Pfad" vor, der an bedeutsame Orte der NS-Diktatur erinnert.

Alfred Dürr

Lange ist eines der dunkelsten Kapitel Münchens - die Zeit des Nationalsozialismus - von großen Teilen der Stadtgesellschaft verdrängt worden. In den vergangenen Jahren hat sich das nur zögernd geändert. Das künftige NS-Dokumentationszentrum und ein neuer Rundgang entlang historisch bedeutsamer Gebäude sollen nun wesentlich zur Erinnerungskultur beitragen.

Der "Themen-Geschichts-Pfad", den das Kulturreferat zusammen mit dem Stadtarchiv erarbeitet hat, führt vom Marienplatz über den Odeonsplatz und die Brienner Straße zum Königsplatz. Es geht vorbei an Orten, die eine herausragende Bedeutung für die Entstehung und Geschichte des Nationalsozialismus hatten.

Zum Beispiel der Odeonsplatz, das Haus der Kunst oder Gebäude, die nicht mehr vorhanden sind: Die Hauptsynagoge, die Gestapo-Zentrale oder die Parteizentrale "Braunes Haus". Dazu gibt es eine Broschüre und eine Audioversion, die man sich aus dem Internet auf den MP3-Player herunterladen kann. Vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz, einem Ort, an dem sich das Nazi-Regime gern selbst inszenierte, stellten Kulturreferentin Lydia Hartl und SPD-Stadtrat Michael Leonhart das Projekt vor.

"München leistet sich bis heute eine Amnesie"

München ist wie keine andere deutsche Stadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden. Und der lokale Verfolgungs- und Unterdrückungsapparat, der seit 1933 mit großer Zuverlässigkeit, Effizienz und enormer Tragweite funktionierte, sei in vielerlei Hinsicht "vorbildlich" für den Rest des Reiches gewesen, heißt es in der Broschüre.

Und gerade in München, so Hartl, sei man gleich nach Kriegsende sehr bemüht gewesen: um den Wiederaufbau, aber besonders auch um die restlose Tilgung von Terrorherrschaft, Zerstörung, Leid, Krise, Instabilität - und auch Schuld: "München leistet sich bis heute eine Amnesie, was die dunkle Seite seiner Geschichte angeht, und diese Amnesie verschaffte zunächst seinen kriegsmüden Bürgern Trost und ein Gefühl der Sicherheit."

Das Verschwinden von Wissen um die Orte und ihre Geschichte lade nachgerade ein, sich nicht mehr mit unliebsamen Perioden der Geschichte befassen zu müssen. Gerade aber Erinnerungsarbeit sei unerlässlich für die politische Kultur demokratischer Gesellschaften.

"Wir können und dürfen nicht mehr verdrängen", warnte Michael Leonhart, der auch Vorsitzender des politischen Beirats für das geplante NS-Dokumentationszentrum ist. Künftig solle München noch stärker ein "zentraler Ort in der deutschen Erinnerungslandschaft" werden. Das Angebot, sich mit der Geschichte unmittelbar im Stadtbild auseinanderzusetzen, ist nach Leonharts Worten für die Kommunalpolitik eines der wichtigsten Anliegen.

In diesem Zusammenhang steht auch das künftige NS-Dokumentationszentrum auf dem Areal von Hitlers Parteizentrale an der Ecke Arcis-/Breitnerstraße. Das "Braune Haus" war 1945 weit gehend von Bomben zerstört worden. Heute ist das Gelände unbebaut und eingezäunt. Der Freistaat stellte Ende 2005 das Grundstück des "Braunen Hauses" zur Verfügung. Zur Zeit gibt es dort archäologische Grabungen, um zu erkunden, was sich noch an Überresten von dem alten Gebäude finden lässt.

Zum 850. Jahrestag der Gründung Münchens - also im Jahr 2008 - soll der Grundstein für das Zentrum gelegt werden, so die große Hoffnung. Doch es hakt beim Planungsfortschritt. Der Freistaat ist der Ansicht, mit der Übergabe des Grundstücks seine finanziellen Verpflichtungen erfüllt zu haben. Für weitere Investitionen will man nicht aufkommen.

Die Stadt, die mit einem Drittel am Projekt beteiligt ist und vollständig die Betriebskosten trägt, teilt diese Ansicht nicht. Der Dritte im Bund, die Regierung in Berlin, hat bisher überhaupt kein Geld in Aussicht gestellt. Erst wenn das inhaltliche Konzept für das Zentrum, an dem gerade gearbeitet wird, fertig ist, will sie den Antrag aus München bearbeiten.

© SZ vom 14. Juli 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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