Nachtleben in München:Und es regnete Salat

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Wem Fasching einmal im Jahr zu wenig ist, der kann den Spaß auch öfter haben - sogar mit Kunstanspruch: Wie die "Zombocombo" Clubnächte überhöht.

Klaus Raab

In den ersten zehn Jahren seines Bestehens wurden am Wertstoffhof der Gemeinde Haar 8000 Altreifen, die gestapelt fünf Eiffeltürme aufeinander ergäben, und 2577 Kühlgeräte abgegeben. Insgesamt wurde eine Recyclingmenge von 31300 Tonnen gesammelt, was dem Gewicht von 35000 Mittelklassewagen entspricht. Und das hat deshalb etwas mit Münchner Clubkultur zu tun, weil es da diese Leute gibt, die sich die Zombocombo nennen, und die sagen: "Schrott mögen wir schon gerne."

Roboter mit Partymoral: Wer feiert, soll auch Spaß haben. (Foto: Foto: oh)

Pollyester, Mooner und Kitt Bang heißen sie. Pollyester ist Musikerin, sie spielt bei fünf Bands, darunter Kamerakino und ihr neues Projekt Pollyester. Kitt Bang ist Dekorateur. Ihre richtigen Namen wollen er und Polly nicht verraten. DJ Mooner, bürgerlich Emanuel Günther, führt das Münchner Plattenlabel "Erkrankung durch Musique" und hatte vor sieben Jahren mit dem Technoprojekt Zombie Nation den internationalen Top-Ten-Hit "Kernkraft 400".

Der Wertstoffhof in Haar gehört zu den wichtigsten Quellen, aus denen die Zombocombo ihre Materialien bezieht, wenn sie eine neue Party vorbereitet: unter ihren Hervorbringungen sind designte Rollstühle, Roboterkostüme, riesenhafte Pappspargel oder eine chemische Keule aus Pappmaché. Sowie das Erkennungszeichen der Zombocombo: ein als Discokugel verkleideter Betonmischer, der als Lostrommel dient und "Zombola" heißt.

Die geheimen Träume von Entertainment

"Zombola" ist ein Symbol: Bei den Zombocombo-Partys wird eine neue Mischung angerührt, und solange der Betonmischer in Bewegung ist, wird nichts festlegbar; solange wird jede Party anders sein. Aber, ach was, Party: Bunte Lichter leuchten überall, Partys gibt es viele. Eine Feierlichkeit der Zombocombo jedoch ist eher ein Geschehnis, bei dem das Partymachen auf dem Weg zur Kunst nicht nur auf die Spitze getrieben, sondern auch neu interpretiert und parodiert wird.

Eine Meta-Party, bei der mitgedacht ist, wie langweilig andere Partys sind: "Immer das selbe Schema", sagt Polly, "die Anreize sind nackte Haut und Alkohol, das wird bei uns nicht passieren." Aus dem Bedürfnis nach der besseren Party entstand die Idee zur Zombocombo. "Um die geheimen Träume begeisterter Menschen von Entertainment zu erfüllen", sagt Polly. Von Menschen wie ihr also. Sie gründete mit ehemaligen Mitbewohnern, darunter Kitt Bang, zunächst die Veranstaltungsreihe "Bang Gang". Daraus ging 2004 mit Mooner die Zombocombo hervor.

Mittlerweile gehört DJ Kaput, ein Tontechniker und ehemaliger Stammgast, lose zum Team - er soll noch, als Initiationsritual, durch eine riesige Kaffeemaschine geschickt werden, bevor er ganz dazu gehört. Seit zweieinhalb Jahren laden die vier jeden letzten Donnerstag eines Monats zur Mottoparty in die Registratur. Wenn man hineingerät, kann es passieren, dass man glaubt, auf einem Kindergeburtstag gelandet zu sein.

"Ich erinnere nur an die Kuscheltierparty", sagt Kitt Bang. Die Party hieß "Alice im Zomboland", bei einem Händler kauften sie vorher palettenweise alte Kuscheltiere. Während der Party wurde jedes einzelne Teil eines Schaumgummiberges, den es zu durchwaten galt, wenn man von einem Ende des Clubs zum anderen wollte - die Gäste hatten alle Kuscheltiere säuberlich zerlegt. Polly sagt: "Das war sehr schön."

Betonmischmaschine heiratet König

Die Gäste fanden das wohl auch, jedenfalls hat die Zombocombo mittlerweile ein großes Stammpublikum. Und die Mischung aus oft seltsamer, aber immer lebendiger Musik aus vielen Genres, aus Show, zum Thema passenden Filmeinspielungen und den Kostümierungen wird mittlerweile auch exportiert: Im Februar veranstaltet die Zombocombo Nächte in Wolfsburg und im Hamburger Golden Pudel Club.

Teil des Erfolgsrezeptes sind sicher auch Ideen wie die Tombola mit Preisen wie Peel-Off-Masken und Karel-Gott-Schallplatten aus dem Ausschuss der Veranstalter. Und dass die Partys so publikumsnah sind: Sie leben nicht nur von den Machern, auch wenn diese ihre Veranstaltungen mit kleinen Performances stets dem Höhepunkt entgegentreiben - auf einer König-Ludwig-Party zum Beispiel heiratete Zombola, der weibliche Betonmischapparat, den König; zuletzt düngte Mooner bei einer Genpflanzen-Party nicht nur einen Killer-Spargel aus Pappmaché, sondern auch die Zuschauer.

Die Feiern leben auch von der Eigendynamik, vom aktiven Publikum; davon, dass nicht klar ist, was funktionieren und was noch alles passieren wird. Davon, "dass es den Schalter umlegt", wie Mooner sagt. Ende Dezember lautete das Thema "Staatliches Zombo-Institut für weltweite Gen-Schrebergarten-Kultur". Polly kam als Grünzeug, Kitt Bang als Efeustock, Mooner im Laborkittel. Gäste kamen als Salate.

Um drei Uhr trat eine Band namens Frittenbude auf, die sich mit Gitarre, Synthesizer und Babyphon dem Thema der Nacht widmeten. "Für mich soll es heute Essen regnen", lautete der Text in Abwandlung von Hildegard Knefs Lied: "Die Welt sollte sich bunter gestalten/ihre Gaben nicht für sich behalten" - woraufhin es einen gammeligen Salatkopf aus dem Publikum regnete. Was jedenfalls die buntere Gestaltung der Welt angeht: Die Zombocombo tut, was sie kann. (Das nächste Mal am 25. Januar in der Registratur, Blumenstraße 28, 23 Uhr.)

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