Nachgefragt:Werden Frauenärzte jetzt öfter zu Vätern gemacht?

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Der Fall hat für Wirbel gesorgt: Ein Gynäkologe muss Unterhalt für ein Kind zahlen, dessen Geburt er nicht verhindert hat. Auch der leibliche Vater bekommt Geld. Passiert das jetzt öfter?

Martin Thurau

Ein Richterspruch sorgt für Wirbel in den Praxen: Ein Frauenarzt hat ein Depot-Verhütungsmittel fehlerhaft eingesetzt, die Patientin wurde ein paar Monate später schwanger. Nun muss, so hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden, der Arzt Unterhalt für das Kind bis zum 18. Lebensjahr zahlen. Franz-Werner Olbertz, niedergelassener Gynäkologe und Münchner Vorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte, ist über das Urteil "gar nicht so aufgeregt".

Eigentlich schön, so ein Babybauch. Was aber, wenn das Kind partout nicht gewollt ist? (Foto: Foto: dpa)

SZ: Muss ein Frauenarzt nun ständig fürchten, in pekuniärer Hinsicht gleichsam zum Vater gemacht zu werden?

Olbertz: Mich wundert, dass das Urteil offenbar so viel Furore macht, weil es ähnliche Fälle schon zuhauf gibt. So kommen Ärzte beispielsweise in ähnliche Schwierigkeiten, wenn sie nicht nachdrücklich auf den Kontrolltermin nach dem Einsetzen der Spirale hinweisen, die Spirale indes verlorengeht und es zu einer Schwangerschaft kommt.

Es ist auch bereits ein Arzt zu Unterhaltszahlungen verurteilt worden, weil er eine von der Patientin gewünschte Unterbrechung der Eileiter mit einer Methode gemacht hat, die zwischenzeitlich als untauglich angesehen wurde. Und schon 1983 gab es in München den damals prominenten Fall eines Gynäkologen, der versäumt hatte, eine Rötelerkrankung der Schwangeren festzustellen. Das Kind war missgebildet, der Arzt haftete mit seinem Privatvermögen, weil damals die Versicherung diesen Tatbestand nicht abdeckte.

SZ: Ist im aktuellen Fall die Argumentation des BGH, die Existenz des Kindes letztlich als Vermögensschaden zu sehen, nicht etwas zynisch?

Olbertz: Natürlich mögen Ärzte diese Urteile nicht, und als Vertreter des Berufsverbandes mag ich die Denkfigur womöglich zynisch finden. Aber wenn ich zum Arzt gehe, will ich auch nicht, dass ich fehlerhaft behandelt werde und mir eine Belastung entsteht. Und ein Kind, dass nicht gewollt ist, ist eine Belastung.

SZ: Was bedeuten solche Risiken für das Verhältnis Arzt - Patient?

Olbertz: Verständlicherweise werden wir zunehmend eine Absicherungshaltung einnehmen. Ganz allgemein nimmt diese Absicherungsmedizin ja zu - aus Furcht, ein Staatsanwalt könnte einem später einen Vorhalt machen.

SZ: Was hat das für Konsequenzen?

Olbertz: Fehler bei der Indikationsstellung, der Aufklärung und der Ausführung - das sind die drei Punkte, bei denen der Jurist den Mediziner packen kann. Und das macht uns Kollegen natürlich Angst. Das führt zum Beispiel zu einem Übermaß an Aufklärung und Dokumentation über alle Schritte.

SZ: Könnte die Angst vor Behandlungsfehlern beeinflussen, welches Verhütungsmittel der Arzt empfiehlt?

Olbertz: Schwer zu sagen, auf jeden Fall ist es notwendig, den sogenannten Pearl-Index eines Verhütungsmittels zu beschreiben, die Versagensquote sozusagen, und das auch zu dokumentieren. Jede Methode hat ihre Unsicherheiten. Bei exakter Aufklärung darüber liegt dann kein Kunstfehler vor, wenn es zu einer Schwangerschaft kommt. Anders als im zur Rede stehenden Fall. Ich verwende das dort eingesetzte Präparat nicht. Aber wenn man es tut, würde ich den ordnungsgemäßen Sitz per Ultraschall dokumentieren.

© SZ vom 16.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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