Nachgefragt:Warum häuft sich die Gewalt im Heim?

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Massive Bedrohung, Schlägereien, Messerattacken: In zwei Obdachlosenheimen des Katholischen Männerfürsorgevereins (KMFV), die als Unterkunft für psychisch kranke und alkoholabhängige alleinstehende Männer dienen, häufen sich die Probleme.

Sven Loerzer

Die SZ sprach mit Gerald Winkler, Fachreferent des KMFV, über die Situation in den Häusern an der Chiemgau- und der Kyreinstraße.

SZ: Warum haben sich denn ausgerechnet in diesen beiden Häusern die Probleme so gehäuft? Winkler: Beide Einrichtungen waren seinerzeit als neuer Typ, als so genannte niederschwellige Angebote, geschaffen worden. Dort sollten Leute hinkommen, an die keine Anforderungen gestellt werden, außer dass sie weg wollen von der Straße. Wir sind damals nur mit einer Mindestausstattung an Personal gestartet. Man hat gedacht, niederschwellig bedeutet auch niederpreisig, und somit wenig Personal. Doch die Menschen, die dort hinkommen, sind nicht nur wohnungslos, sondern haben einen ganzen Sack voller Probleme: Die meisten sind alkoholkrank, viele sind auch psychisch krank. Für diese Menschen reicht eine Minimalbetreuung nicht: 1,5 Sozialpädagogen-Stellen für 72 höchst schwierige Bewohner sind einfach zu wenig.

SZ: Gibt es auch in anderen Obdachlosenheimen des Männerfürsorgevereins solche Probleme? Winkler: Wir haben in allen anderen unserer Einrichtungen diese Probleme nicht. Natürlich gibt es auch dort den einen oder anderen schwierigen Zeitgenossen, aber in der Häufigkeit überhaupt nicht vergleichbar. Wenn man uns genügend Personal gibt, ordentlich zu wirken, dann gibt es keine Probleme. Wir können nur dann erfolgreich arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Stadt hat uns auf unseren Hilfeschrei hin zwei zusätzliche Stellen, der Bezirk sechs weitere Stellen gegeben. Neben den personellen Voraussetzungen müssen auch die räumlichen stimmen: Wir brauchen mehr Einzelzimmer für die schwierigen Personen, das bereiten wir gerade vor. Unter diesen Voraussetzungen können wir wirklich ordentliche Arbeit leisten und garantieren, dass die beklagten Zustände aufhören.

SZ: Kann man denn Männern, die seit Jahren alkoholabhängig und psychisch krank sind, überhaupt noch helfen? Winkler: Ja, sicher. Wir sind gerade dabei, eine für Deutschland neue Methode einzuführen: das kontrollierte Trinken. Sie ist im angelsächsischen Raum seit 30 Jahren verbreitet. Wir fragen die Männer: Was hat dir das Trinken gebracht, was hat es dir geschadet? Hier wird ein Prozess angestoßen, der in einem zehnstufigen Verlauf dahin führen soll, weniger zu trinken und im Idealfall schließlich aufzuhören. Nach unseren ersten Erfahrungen können wir über diese Methode mehr Menschen erreichen, als mit der alten Form, wo es nur nass oder trocken gibt. In diesem neuen Ansatz wird nicht mehr Abstinenz von Anfang an vorausgesetzt, sondern sie ist das Ergebnis eines Prozesses. Es ist ein großer Unterschied, ob jemand einen Kasten Bier trinkt und eine Flasche Schnaps am Tag, oder aber nur einen Kasten Bier. Wenn es uns gelingt, den Schnaps zurückzudrängen, haben wir schon viel erreicht - auch für die Sicherheit auf der Straße.

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