Nachbarschaftsstreit:Grabenkrieg im Doppelhaus

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Verfeindete Nachbarn streiten vor Gericht um einen Grenzwall in ihrem Garten.

Ekkehard Müller-Jentsch

Solch ein Wahnsinn, so viel Hass: In einem Doppelhaus in Waldperlach herrscht Krieg. Selbst abgebrühte Amtsrichter finden kein anderes Wort für das, was sich zwei zu tiefst verfeindete Familien in der Hamannstraße gegenseitig antun. Ihre Grundstücksgrenzen haben sie schon längst mit meterhohen Schutzwällen verbarrikadiert.

Sie attackieren sich mit übelsten Beschimpfungen, bewerfen sich mit Steinen und terrorisieren sich gegenseitig mit Lärm. Schockierte Nachbarn würden am liebsten ihr Eigentum verkaufen - nur weg von hier. Manch unfreiwilligem Beobachter des Horrorszenariums drängt sich schon die Frage auf: Wann gibt es den ersten Toten?

Die Gründe bereits vergessen

Gestern begegneten sich die Anführer der beiden Lager vor dem Amtsgericht - wieder einmal. Sie ist Anwältin, er Techniker. Beide haben ein Alter erreicht, das normale Menschen eher Milde stimmt, doch hier hat es wohl verstärkt zu Starrsinn geführt.

Ohne ihre dicken Aktenordner hätten die erbitterten Streiter wahrscheinlich längst den Überblick über die Anzahl ihrer wechselseitigen Prozesse, Klagen und Anzeigen verloren. Beide vermochten auch kaum noch die Frage des Gerichts zu beantworten, wann und warum das alles angefangen hat.

Deutlich wurde nur so viel: Es begann schon bald, nach dem beide Familien 1984 ihre Doppelhaushälften bezogen hatten; und es ging um irgend einen Baum oder Busch, den irgendwer zu nahe an die Grundstücksgrenze gepflanzt hatte.

Wüste Namen, Steine und Säure

Was sich seither ereignet haben soll oder tatsächlich passiert ist, lässt sich kaum aufzählen. Wobei stets die eine der anderen Seite die Schuld gibt, Vorwürfe abstreitet oder auf die immer noch schlimmeren Vor-Taten des jeweils Anderen hinweist. Sich gegenseitig durch die Straße brüllend als "stinkende Schlampe" oder "arbeitslosen Wichser" zu beschimpfen, gehört zu den Harmlosigkeiten.

Da wurden Zimmer auf der anderen Haushälfte unter Wasser gesetzt, Fensterläden mit Steinen eingeschmissen, Nachbarbeete mit Hilfe "umgedrehter" Staubsauger mit Samenwolken bombardiert, Menschen mit Wasserschlauch- und Eiswürfelattacken angegriffen und durch Lärmteppiche aus Lautsprecheranlagen und Schlagzeugen entnervt. Man greift auch mal zu Pfefferspray und Säure.

Streit um einen Stacheldrahtzaun

Diesmal ging es vor Gericht um den martialischen Schutzzaun, der unbeteiligten Nachbarn zufolge sogar durch Bewegungsmelder und Videoüberwachung gesichert sein soll. Irgendwie und irgendwann hat irgendwer mit großen und kleinen Sägen den Wall durchlöchert. Und jetzt verlangt die eine Seite von der anderen 934,59 Euro Schadenersatz - die Gegenseite rechnet gleich mehrere 1000 Euro dagegen.

Als Richter Hartmut Kreutzer gestern pflichtgemäß eine gütliche Einigung ansprach, reagierten die Feinde gar nicht erst. Zuvor hatten sie sich mit Fingersprache und unmissverständlicher Mimik schon gegenseitig die Pest an den Hals gewünscht. Der Richter schaute sich dann staunend die Bilder an, die ihm auf den Tisch gelegt wurden.

"Da ist ja auch Stacheldraht an dem Bollwerk, das sieht doch sehr nach Krieg aus." Jetzt will er erstmal durch die Baubehörde prüfen lassen, ob dieser Wall nicht ein illegaler Schwarzbau ist. Falls ja, müsste er sowieso weg. Im März wird dann weiter verhandelt...

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