Nach Verfolgungsjagd:In Panik an die Wand gefahren

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Zwei 20-Jährige sind an der Ampel von zwei jungen Männern drangsaliert worden - so stark, dass die Fahrerin in ihrer Not mit dem Wagenheck gegen eine Wand prallte. Jetzt wollen weder Halter noch Versicherung für den Schaden zahlen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Ein ziemlich ungewöhnliches Verfahren um Schadensersatz und Schmerzensgeld wurde gestern vor dem Landgericht München I verhandelt. Eine junge Autofahrerin hatte sich nach wilder Verfolgungsjagd von zwei Burschen in die Enge getrieben gefühlt und war in ihrer Panik gegen eine Mauer gefahren. Und weder Fahrer noch Halter oder Versicherung des Tatfahrzeuges wollen für die Folgen bezahlen.

In einer Augustnacht 2005 waren kurz nach fünf Uhr zwei 20-jährige Frauen mit ihrem kleinen Rover in Obersendling unterwegs. Als sie an einer Ampel stehenbleiben mussten, suchten zwei junge Männer, die im Nachbarauto saßen, Blickkontakt.

"Stinkefinger" gezeigt?

Bis heute konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob und gegebenenfalls welche Handzeichen dabei ausgetauscht worden sind - nicht auszuschließen ist, dass aus dem Auto der Frauen den Burschen ein "Stinkefinger" gezeigt worden ist.

Jedenfalls hängten sich die Münchner türkischer Herkunft daraufhin hartnäckig an den Kleinwagen. Die beiden 20-Jährigen wussten sich nach längerer Verfolgungsfahrt dann nicht mehr anders zu helfen, als über das Handy die Polizei zu rufen.

Die Einsatzzentrale hatte in diesem Moment jedoch keine Streife in der Nähe zur Verfügung. So rieten die Beamten den Hilfesuchenden, zur nächstgelegenen Polizeiinspektion zu fahren. An einer Fahrbahnverengung in der Drygalski-Allee gelang es jedoch den Verfolgern, sich vor den Rover zu setzen und ihm den Weg zu versperren.

Die Fahrerin im Frauen-Auto legte sofort den Rückwärtsgang ein und preschte rückwärts in das Parkhaus eines Supermarktes, um sich dort hinter einer Mauer zu verstecken. Die Männer fanden sie jedoch in kürzester Zeit und blockierten mit ihrem Wagen den Weg nach vorn. Dann stieg zumindest einer der Männer aus und ging auf den Rover zu. Als er die Tür des Wagens aufriss, überfiel die Fahrerin pure Panik.

Fahrerflucht

Sie wollte erneut zurücksetzen, gab Gas und krachte mit dem Heck gegen eine Wand. Dabei zog sie sich eine Platzwunde am Kopf zu, sowie Brüche des linken Unterarms und des Handgelenks. Die Männer ergriffen die Flucht, wurden aber kurze Zeit später gestellt. Im Sommer dieses Jahres mussten sie sich vor dem Amtsgericht verantworten.

Beide wurden wegen gemeinschaftlicher Nötigung, fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt: Der Fahrer zu neun Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung, der andere zu 90 Tagessätzen zu je 50 Euro Geldstrafe.

Gestern, vor dem Einzelrichter der 17. Zivilkammer, ging es nun um Schadensersatz und Schmerzensgeld. Beklagt sind neben den beiden Männern auch noch die Mutter des Beifahrers als Halterin des Tatfahrzeugs und deren Autohaftpflichtversicherung. Der Fahrer selbst hat bislang zur Klage einfach nur geschwiegen.

Der Beifahrer und seine Mutter lehnten die Bezahlung des Schadens mit dem Argument ab, der Unfall sei allein auf ein fehlerhaftes Verhalten der Klägerin zurückzuführen: Die 20-Jährige hätte genug Platz gehabt, um vorbeizufahren. Außerdem hätten die beiden Frauen die Männer durch obszöne Gesten provoziert und das weitere Geschehen damit selbst verursacht.

Die Haftpflichtversicherung verweigert die Zahlung aus einem juristischen Justamentstandpunkt heraus: Da Fahrer und Beifahrer den Schaden widerrechtlich und vorsätzlich herbeigeführt hätten, sei es kein Fall für die Autohaftpflicht.

Der Richter will das Urteil am 22. Januar nächsten Jahres verkünden (Aktenzeichen: 17 O 15826/06).

© SZ vom 28.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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