Nach dreijähriger Bauzeit:Großer Bahnhof am Marienplatz

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Die Operation Sardinenbüchse ist beendet: Im meist überfüllten U-Bahnhof haben wartende Fahrgäste jetzt doppelt so viel Auslauf wie bisher.

Dominik Hutter

Nach dreijähriger Bauzeit eröffneten OB Christian Ude und Bayerns Verkehrsminister Erwin Huber die 46 Millionen Euro teuren Bahnsteigerweiterungen in 25 Meter Tiefe.

Die Aktion war durchaus heikel: im Untergrund der meistgenutzte U-Bahnhof Münchens, dessen stündlich gut 30.000 Nutzer weiter ein- und aussteigen wollen - auf der Oberfläche das Rathaus, das der Nachwelt möglichst erhalten bleiben sollte. Und irgendwo dazwischen eine unterirdische Riesenbaustelle, damit zwei gut 100 Meter lange Erweiterungstunnels durchs Erdreich getrieben werden können. "Technisch extrem schwierig", lautet das Urteil von Baureferentin Rosemarie Hingerl.

Zwei 30 Meter tiefe Startschächte mussten am Marienhof gebuddelt werden, das Erdreich unter dem Rathaus wurde wegen des Grundwassers und aus Stabilitätsgründen über Monate hinweg auf minus 38 Grad tiefgefroren. Der neogotische Bau hob sich um wenige Millimeter und senkte sich später wieder ab. Die Wände der bestehenden U-Bahn-Station durften erst dann per Diamantseilsäge durchbrochen werden, als die Erweiterungsgänge im Rohbau fertig waren. Die Fahrgäste in 15 Zentimeter Entfernung waren derweil durch eine staub- und lärmdichte, feuerfeste Wand geschützt.

WM hat Projekt beschleunigt

Nun sieht alles so aus, als sei es schon immer so geplant gewesen. Die beiden Bahnsteigtunnels wurden im selben Orange gestaltet wie der große Rest der 1971 eröffneten Station. Der damalige Architekt Alexander von Branca gab seinen Segen dazu. "Wir wollten die weltbekannte Identität mit ihrer Farbgebung erhalten", schwärmt Ude, der schon mehrfach von Bürgern angesprochen wurde, ob man für das viele Geld nicht eine zeitgemäßere Gestaltung bekommen hätte.

Neu sind hingegen die Spiegel zwischen den schwarz umrandeten Durchgängen, die wegen ihres Verwirrungseffekts zunächst durchaus gewöhnungsbedürftig sein dürften. "Das immaterialisiert die Stützen", erklärt Hingerl die gewünschte optische Wirkung. Was im Klartext heißt: Da man aus statischen Gründen die Durchbrüche schmal halten musste, sollen die verbleibenden "Säulen" nicht zu mächtig wirken.

Die Erweiterung der Bahnsteige am Marienplatz zählt zwar zu den WM-relevanten Verkehrsprojekten. Tatsächlich aber wird über die beengte Situation am wichtigsten Nahverkehrsknoten Münchens schon sehr viel länger diskutiert - die WM hat das Ganze lediglich beschleunigt. Das Hauptproblem an diesem Bahnhof: Weil sowohl die S-Bahn als auch der Marienplatz selbst über den südlichen Ausgang zu erreichen sind, strömen alle Fahrgäste in dieselbe Richtung und treffen dort frontal auf den nicht minder beeindruckenden Strom der Einsteiger. Am Nordkopf ist es meist so leer, dass man Fußballspiele austragen könnte.

90 Prozent hat der Freistaat finanziert

Die neuen Röhren sollen später auch als Verbindungsgänge zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke dienen - derzeit enden sie vor einer provisorischen Wand mit Fußballmuster. Provisorisch ist überhaupt noch einiges in den orangefarbenen Gewölben: Teile der Wand- und Deckenverkleidung sind nicht fertig, die Beschilderung fehlt, und mancherorts steht die versprochene Grundreinigung der Station aus. "Macht nichts", findet Hingerl. Der Zeitplan sei von Anfang an so eng gestrickt gewesen, dass man mit dem Resultat mehr als zufrieden sein könne - zumal bis zum WM-Eröffnungsspiel der Rest erledigt sein soll.

Von den 46 Millionen Euro Baukosten stammen stolze 90 Prozent aus den Nahverkehrstöpfen des Freistaats - und das, "um den Stuhl des OB noch anzuheben", wie Verkehrsminister Erwin Huber (CSU) scherzte. Insgesamt hat der stadiongerechte Ausbau der U-Bahn knapp 100 Millionen verschlungen. Er umfasst neben der Erweiterung am Marienplatz den viergleisigen Neubau des Bahnhofs Fröttmaning und diverse Kapazitätsverbesserungen im Tunnel: zum Beispiel neue Signale, zusätzliche Weichen und eine verstärkte Fahrstromversorgung.

Die Baustellenpause am Marienhof wird wohl nur von kurzer Dauer sein. Zum Jahreswechsel soll die Buddelei für die zweite S-Bahn-Röhre starten.

© SZ vom 30.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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