Nach Anschlägen:Polizei verschärft Kontrollen massiv

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Nach den Anschlägen in den USA haben die Sicherheitsbehörden die Schutzvorkehrungen in München massiv verschärft.

(SZ vom 12.9.2001) - Nach der Serie von Terroranschlägen auf amerikanische Regierungseinrichtungen und auf das World Trade Center haben die Sicherheitsbehörden die Schutzvorkehrungen für die Bevölkerung sowie für amerikanische und israelische Einrichtungen gestern massiv verschärft.

Absperrungen vor dem US-Konsulat in München. (Foto: Foto: Florian Rath)

Vor allem potenziell gefährdeten Objekten wie dem US-Konsulat in der Königinstraße oder der Synagoge in der Reichenbachstraße postierten sich schon kurz nach den Anschlägen zusätzliche Beamte.

Das Konsulat wurde weiträumig abgesperrt. Oberbürgermeister Christian Ude stellte das Oktoberfest in Frage.

Im Polizeipräsidium trat die Führungsspitze zusammen, um über Konsequenzen aus dem Terroranschlag zu beraten.

Polizei mahnt zu Besonnenheit

Eine von der Polizei nicht genannte Anzahl von Beamten war die ganze Nacht über im Einsatz. Diese so genannten Raumschutzkräfte haben den Auftrag, "verdächtige Personen" zu kontrollieren, sagt Polizeisprecher Ludwig Waldinger, der um Verständnis für die Schutzmaßnahme warb.

Die Polizei mahnt aber zu Besonnenheit: Zwar sollten die Bürger aufmerksam sein, es gebe jedoch "keinen Grund zur Panik". Bislang gebe es keine Hinweise, dass Terroristen in Deutschland Anschläge planten.

Das US-Konsulat sprach von "angemessenen" Maßnahmen. Es sei noch nicht sicher, ob das Haus am Mittwoch geschlossen bleibe.

Folgen für das Oktoberfest

Noch in dieser Woche wird sich der Ältestenrat im Rathaus treffen, um zu beraten, welche Folgen die Anschlagsserie auf Münchner Großveranstaltungen wie das Oktoberfest habe.

Es stelle sich angesichts der Terrorwelle in den USA die Frage, "ob man in einer solchen weltpolitischen Situation der Welt größtes Volksfest unbekümmert feiern kann", sagte Ude am Abend dem Sender "tv.münchen".

Es müsse auf jeden Fall überlegt werden, "was unter Sicherheitsgesichtspunkten möglich ist, und was möglich ist, ohne Menschen tief zu verletzen".

Bevor eine Entscheidung getroffen wird, sollte das Ausmaß der Katastrophe bekannt sein, fügte Ude hinzu.

Bayerische Polizei in Alarmbereitschaft

Innenminister Günther Beckstein ließ die Frage, ob es zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auf der Wiesn geben müsse, offen. Er setzte die ganze bayerische Polizei in Alarmbereitschaft und verhängte bei der Bereitschaftspolizei eine Urlaubssperre.

Vor öffentlich zugänglichen Fernsehmonitoren, etwa in Kaufhäusern oder vor der Großbildleinwand am Hauptbahnhof, versammelten sich viele Menschen, um das Geschehen in den USA zu verfolgen.

Für den späten Abend wurde spontan ein "Friedensgebet" auf dem Marienplatz angesetzt, um der Opfer zu gedenken.

Bereits beim Abendgottesdienst im Münchner Dom war gestern für die Opfer der Terroranschläge gebetet worden.

Glocken läuten in der Innenstadt

Viele Innenstadtkirchen ließen zum Zeichen der Verbundenheit mit den Familien der Opfer die Glocken läuten.

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, zeigte sich über die Anschläge erschüttert und rief zum Gebet für die Opfer und die Hinterbliebenen auf.

Ministerpräsident Edmund Stoiber ordnete für alle öffentlichen Dienstgebäude Trauerbeflaggung an.

Ude, der gestern um 16 Uhr die Sitzung der Stadtgestaltungskommission leiten sollte, informierte die Teilnehmer sofort nach Eintritt in den Kleinen Sitzungssaal des Rathauses über die Katastrophe.

"Keine Worte"

Ude sagte, es wäre zwar seine Amtspflicht, die Sitzung zu eröffnen, er halte es aber für "geschmacklos und makaber, sich jetzt über den Bebauungsplan Dingolfinger Straße zu unterhalten, in der Verfassung dazu bin ich nicht".

Man könne "jetzt nicht über die kleinen Probleme der Stadtentwicklung diskutieren, egal, was auf der Welt passiert, wenn möglicherweise ein Krieg bevorsteht".

Ebenso wie Ude regten Teilnehmer der Sitzung an, diese zu verschieben, was einstimmig beschlossen wurde.

Ude selbst hat seinen Amtskollegen in New York und Washington sein Beileid bekundet.

Der Münchner SPD-Chef und Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Franz Maget, äußerte sich tief erschüttert über die Anschlagsserie. Maget: "Es gibt keine Worte, diese abscheulichen Angriffe auf das amerikanische Volk auszudrücken."

Stoiber sagt Bierzelt-Auftritt ab

Lediglich die für den heutigen Mittwoch anberaumte Pressekonferenz mit OB Christian Ude werde stattfinden, weil gesetzliche Fristen dringend einzuhalten sind.

Es geht dabei darum, dass der Stadtrat Udes vorzeitigen Rücktritt genehmigen muss, damit am 3. März 2002 OB- und Stadtratswahlen gleichzeitig angesetzt werden können.

Die Münchner CSU hat gestern den Bierzelt-Auftritt von Ministerpräsident Edmund Stoiber in Aubing abgesagt. Der designierte CSU-OB-Kandidat Aribert Wolf, der sich zurzeit in Berlin befindet, sagte zur SZ: "Wir stehen unter dem Schock der Ereignisse. Unter diesen Umständen verbietet es sich selbstverständlich, im Bierzelt Wahlkampf zu machen."

Ob am Freitag der CSU-Parteitag, auf dem Wolf zum OB-Kandidaten gewählt werden soll, stattfinden wird, soll sich bis Donnerstag entscheiden. Auch andere Parteien äußerten sich schockiert.

Zu Absagen von öffentlichen Veranstaltungen kam es in München dagegen offenbar kaum. In den meisten Theatern und im Kunstpark sowie in den Kinos hieß es, das Programm verlaufe wie geplant.

Von den Münchner Reaktionen auf die Anschläge in Amerika berichten Astrid Becker, Jan Bielicki, Monika Maier-Albang, Christian Mayer, Doris Näger, Berthold Neff, Florian Rath, Jochen Temsch, Kerstin Vogel, Claudia Wessel.

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