Mutter erwürgt:"Ich wollte einfach, dass sie Ruhe gibt''

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"Vielleicht verfolgt mich ein Geheimdienst": Ein Wirtschaftsprüfer steht vor Gericht, weil er unter Wahnvorstellungen seine Mutter umgebracht hat. Nach der Tat fuhr er zum Skifahren ins Allgäu.

Alexander Krug

Er redet in geschliffenen Sätzen, jedes Wort scheint sorgfältig gewählt zu sein. Er wirkt ruhig, abgeklärt und höflich. Nichts deutet bei Michael S., 37, auf der Anklagebank darauf hin, dass er ein schwerkranker Mensch ist und eine schreckliche Tat auf ihm lastet.

Er spricht von einem "bedauerlichen Vorfall'', der Staatsanwalt nennt es Totschlag im Zustand der Schuldunfähigkeit: Im Wahn hat Michael S. seine Mutter umgebracht.

Am 21. Februar vergangenen Jahres wurde die Polizei von Nachbarn in eine Wohnung im Westend gerufen. Dort fand man Ingeborg S., 64, leblos auf einem Bett liegend vor. Die Obduktion ergab, dass die geschiedene Rentnerin erwürgt worden war.

Noch am selben Abend wurde Michael S. in einer Pension in Oberstdorf festgenommen. Seither ist er in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und der Prozess dreht sich nun allein um die Frage, ob er auf Dauer dort bleiben muss.

"Magnetwellen"

"Ich möchte gerne die Vorgeschichte des bedauerlichen Vorfalls schildern'', setzt Michael S. zu einer Erklärung an. Anfang der 90er Jahre sei er in die USA gezogen und habe dort als Wirtschaftsprüfer gearbeitet. Mit seiner Mutter habe er regelmäßig einmal die Woche telefoniert.

Anfang 2003 habe er ein "merkwürdiges Erlebnis'' gehabt: Während einer Autofahrt "hatte ich das Gefühl, dass Gas in mein Auto geleitet wird''. Vorfälle solcher Art häuften sich, manchmal fühlte er sich auch "Magnetwellen'' ausgesetzt. "Ich habe nach einer Erklärung dafür gesucht und gedacht, vielleicht verfolgt mich ein Geheimdienst.''

Dieser Gedanke scheint sich bei Michael S. festgesetzt zu haben und er ließ ihn auch nicht mehr los, als er 2006 wieder nach München zurückkehrte. Seinen Job hatte er inzwischen verloren, auch die Frau hatte sich scheiden lassen.

Ein Onkel habe ihm einmal vorgeschlagen, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen, sagt Michael S.: "Ich habe das aber abgelehnt, ich dachte, ich lasse mich nicht zum Verrückten stempeln.''

In München zog er wieder zu seiner Mutter ins Westend. Kontakte pflegte er keine, zog sich immer mehr zurück. Nun wurde die Mutter zum Objekt seiner Wahnvorstellungen. "Ich hatte das Gefühl, dass sie mich ausspioniert und beobachtet.''

Wieder glaubte er, mittels Gas umgebracht zu werden, das in sein Zimmer geleitet wurde. Die Mutter habe auch in seinen Sachen spioniert und Briefe geöffnet, behauptet er. Auch das Telefon sei abgehört worden: "Ich dachte, die ganze Wohnung wird vom Geheimdienst überwacht.''

"Ich dachte nicht, dass ich sie töten würde"

Am 21. Februar kam es zu einem Streit, als die Mutter für ihn einige "Jugendsachen'' aus dem Keller holte. "Als ich den Koffer öffnete, merkte ich, dass fast nichts mehr von meinen Unterlagen darin war'', sagt Michael S. "Ich dachte sofort, dass sie die Sachen an den Geheimdienst weitergegeben hat.''

Er habe seine Mutter zur Rede gestellt, doch die habe nicht geantwortet. "Da bin ich ausgerastet, hab' sie aufs Bett gestoßen und angefangen, sie zu würgen. Den weiteren Verlauf kennen Sie ja.'' Er kenne nur die Akten, sagt der Richter, also solle er doch weitererzählen.

"Ich wollte einfach, dass sie Ruhe gibt'', sagt der Angeklagte. "Ich dachte nicht, dass ich sie töten würde. Ich wollte nur, dass sie nichts mehr sagen kann.'' Nach der Tat sei er zum Skifahren ins Allgäu gefahren. "Im Nachhinein denke ich, entweder ist es wirklich passiert oder ich bin psychisch krank.''

Wie krank Michael S. wirklich ist, welche Gefahr noch von ihm ausgeht und ob eine Therapie Erfolg verspricht - zur Klärung dieser Fragen hat das Gericht Gutachter als Sachverständige geladen.

© SZ vom 10.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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