Musterprozess:Neonazi-Mitläufer aus der Bundeswehr entlassen

Lesezeit: 2 min

Das gab es noch nie: Zum ersten Mal ist in Deutschland ein Soldat unehrenhaft entlassen worden, weil er sich im Dunstkreis der rechtsradikalen Szene bewegt hat.

Ekkehard Müller-Jentsch

Erstmals in Deutschland ist ein Soldat der Bundeswehr unehrenhaft entlassen worden, weil er sich passiv im Dunstkreis von Rechtsradikalen bewegt hat. Das Verwaltungsgericht München wies gestern in einem Musterverfahren seine Klage gegen den Rauswurf ab: Das Verhalten des ansonsten mustergültigen Stabsunteroffiziers stelle eine erhebliche Gefährung des Ansehens der Bundeswehr dar, auch wenn er nur ein Mitläufer gewesen sei.

Echter Neonazi oder "nur" passiver Mitläufer, in die Szene hineingerutscht durch seine Ehefrau? Die Richter entschieden: egal. Der Stabsunteroffizier wird unehrenhaft entlassen. (Foto: Foto: AP)

Der heute 25-Jährige war beispielsweise bei einer Demonstration der NPD im März 2004 in München vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) beobachtet worden.

"Hess-Geburtstage besucht"

Der junge Mann war im Sommer 2001 als Zeitsoldat zur Bundeswehr gegangen und diente zuletzt als Unteroffizier und Truppführer beim Instandsetzungszug eines Fernmeldebataillons. Nach Erkenntnissen des MAD hatte er allein zwischen Januar 2002 und März 2003 insgesamt neunmal an Veranstaltungen rechtsextremistischer Gruppen teilgenommen. Darunter waren etwa "Hess-Geburtstage".

Von seinem Kompaniechef und dem Bataillonskommandeur war er daraufhin belehrt worden, dass er deswegen aus der Bundeswehr entlassen werden könne; er wurde ausdrücklich aufgefordert, diese Kreise zu meiden. Trotzdem tauchte er bald danach bei der NPD-Demo in München auf.

Deshalb zur Rede gestellt, sagte der "Ufz": Die NPD sei nicht verboten und nehme an Wahlen teil, deshalb sei ihm nicht bewusst, etwas Verbotenes getan zu haben. Er stehe zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik und habe lediglich seine aus Ostdeutschland stammende Ehefrau begleite - , so wie auch früher schon, etwa nach Leipzig zum Protest gegen die umstrittene Wehrmachtsausstellung.

Es folgten weitere Belehrungen durch die Vorgesetzten. Dennoch wurde er bei einer Polizeikontrolle im Juli 2004 in der Nähe einer Geburtstagsfeier eines amtsbekannten Rechtsradikalen entdeckt, bei der auch "Sieg Heil" und "Heil Hitler" gerufen worden sein soll. Der Soldat erklärte seinen Vorgesetzten, er habe nur ein nahegelegenes Rockfestival besuchen wollen - dass er mit polizeibekannten Rechten zusammen im Auto gesessen habe, sei ihm nicht bewusst gewesen.

Vertrauen irreparabel zerstört

Die Bundeswehr entließ den Zeitsoldaten, weil er gegen seine im Soldatengesetz niedergelegten Pflichten verstoßen habe: Das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Vorgesetzten sei irreparabel zerstört - bliebe er im Dienst, sei die militärische Ordnung ernstlich gefährdet.

Durch seinen Rechtsanwalt Franz Loy-Birzer ließ der Kläger, der gestern nicht zum Verfahren erschienen war, erklären: Er habe den Soldatenberuf stets ernst genommen, der Bundesrepublik treu gedient und sich niemals extremistisch geäußert. Er sei durch seine Frau, die rechtem Gedankengut zuneige, da hineingezogen worden. Von dieser Frau habe er sich deshalb scheiden lassen und absolut keine Kontakte mehr zu der Szene.

Das durch Oberstleutnant Horst Emardt vertretene Verteidigungsministerium meinte, dass Soldaten schon bei ihrem Eintritt in die Truppe speziell auch zum Thema Rechtsradikalismus unterrichtet würden - "er kannte die Spielregeln in einer demokratischen Armee".

Die Richter der 9.Kammer wiesen die Klage des Ex-Soldaten ab. Der Vorsitzende Gerd Köhler erklärte, dass die Bundeswehr angesichts der Geschichte der Wehrmacht im Dritten Reich durch die Bevölkerung sehr sensibel beobachtet werde.

Der Soldat habe die Nähe rechter Kreise gesucht, wie etwa der Skinhead- "Kameradschaft Süd". Ob er nur Mitläufer gewesen sei, spiele ebenso wenig eine Rolle wie seine angebliche Läuterung: "Es kommt auf das an, was war."

Von einem Unteroffizier und Truppführer müsse man erwarten, dass er sich gegen seine Ehefrau durchsetzen könne und nicht in so etwas hineinziehen lasse. Zumindest hätte er sich nach der ersten Ermahnung sofort erkennbar distanzieren müssen. Kenntnisse über die Rolle der NDP seien seit Anfang der 80er Jahre Allgemeingut (Az.:M9K05.3308).

© SZ vom 30.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: