Musikszene München:"Hier ist es noch schlimmer"

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Die Münchner Popszene wird oft kritisiert. Doch ist es anderswo wirklich besser? Wir haben Münchner Musiker gefragt, die nach Stuttgart, Hamburg, Berlin und Köln gezogen sind.

Michael Bremmer

Wie habe er sich doch damals geärgert über die Münchner Musikszene, gibt Andreas Puscher offen zu, Sänger der vor zwei Jahren aufgelösten Münchner Indie-Pop-Hoffnung Crash Tokio. Jede Band habe nur auf sich selbst geachtet, schimpft Puscher: kein Zusammenschluss, kaum Zusammenhalt.

Nun lebt der Sänger in Stuttgart - das Problem: "Hier ist es noch viel schlimmer als in München", sagt Puscher. Es gebe hier schon gute Projekte und genügend interessante Musiker, "aber sie gehen nicht an die Öffentlichkeit".

Das könnte an den fehlenden Clubs in Stuttgart liegen. Aber noch einen Grund hat Puscher ausgemacht: An der Musikszene einer Stadt erkenne man sehr gut die Mentalität der Menschen. Und der Stuttgarter, so Puscher, sei nun mal "verbissen, perfektionistisch, will alles gut machen".

Die Folge: "Das Wir-Gefühl steht nicht im Vordergrund", sagt der Sänger, derzeit Frontmann von The Dalles und hauptberuflich Musikmanager. Und in München, wo ja auch oft der fehlende Gemeinschaftssinn bemängelt wird? Hier sei die Szene lange vom Wettbewerbsgedanken geprägt gewesen, findet Puscher.

Singer-Songwriter Manuel Klein durchläuft dagegen gerade die "Hamburger Schule" - eine harte Lehrzeit, glaubt man seinen Ausführungen. Der Schauspielerei und der Liebe wegen hat er München verlassen - rein musikalisch wäre er gerne hier geblieben. Klein schwärmt über die hiesige Singer-Songwriter-Szene, "sehr begeisterungsfähig, sehr offen" sei es in München.

In Hamburg dagegen sei es schwieriger, sich einen Namen zu machen. "Die Menschen hier sind nur schwer zu beeindrucken", sagt Klein. Man müsse eben dranbleiben, sagt er, das sei genauso wie in München: Erst in kleinen Läden spielen, auf sich aufmerksam machen, denn "für die großen Clubs muss man etabliert sein". Wie die Bands der sogenannten Hamburger Schule - deren Musiker übrigens "alle inoffiziell in Berlin wohnen", sagt zumindest Manuel Klein.

In Berlin wohnt jetzt auch die Sängerin Alev Lenz, die sich allerdings immer noch als "Münchner Kindl" bezeichnet. An sich wollte die junge Musikerin überhaupt nicht von der Isar an die Spree siedeln. Sie wollte nur in eine lebhafte Gegend ziehen, ins Glockenbach, Altbau mit Musikzimmer, "aber das ist unbezahlbar". Um ein Atelier habe sie sich daraufhin bei der Stadt München beworben - vergebens, denn diese Räume seien nur für bildende Künstler vorgesehenen, so die Antwort vom KVR.

Jetzt wohnt und arbeitet Alev Lenz eben in einer großen Altbauwohnung mitten in Berlin. Ein weiterer Vorteil: Die Stadt ist voll mit Künstlern und Musikern - einen findet man hier immer zum Musizieren. Derzeit ist Alev Lenz fast täglich bei ihr ums Eck im Studio des Freundeskreis-Produzenten Don Philippe, der auch ihr Debüt-Album "Storytelling Pianoplaying Fräulein" aufgenommen hat.

Nachmittags "jammen wir ein bisschen rum, probieren mal Sachen für das neue Album, einfach so", erzählt sie. Einfach so, das gebe es in München nicht, findet sie und schickt gleich die Erklärung hinterher: "Zeit ist Geld", in einer teuren Stadt wie München erst recht.

Aber auch in Berlin gibt es innere Zirkel, auch in Berlin trifft man in manchen Szenen immer nur die gleichen Musiker. Das deutsche Paradies der Popkultur soll dagegen in Köln zu finden sein. Glaubt man Andreas Puscher. Als Tourmanager der Deutschpop-Band Klee ist Puscher häufig in deren Heimatstadt am Rhein.

"Hier kennen sich alle, hier helfen sich alle", schwärmt Puscher. Und alle feiern gemeinsam Partys, sogar an Weihnachten. Dann, so Puscher, "bilden sie eine Allstar-Band und stehen am heiligen Abend auf der Bühne".

Was zeichnet die Münchner Musikszene aus? Gibt es vielleicht sogar einen München-typischen Sound? Um das herauszufinden will "Sound of Munich now" möglichst alle Facetten der vielfältigen Bandszene in München beleuchten. Das Programm des Abends ist dementsprechend dicht gedrängt: jede Band performt nur drei Stücke, dazwischen diskutieren Talkgäste. Die Veranstaltung findet am Freitag, den 23. Oktober, in der Hansa 39 im Feierwerk statt (Beginn 20 Uhr, Eintritt frei). Weitere Infos gibt es hier.

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