Münchner SPD:Berlin ist schuld am Debakel

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Nach ihrer desaströsen Niederlage bei der Europawahl wächst in der Münchner SPD der Unmut über die rot-grüne Regierung in Berlin. Führende Sozialdemokraten bezeichneten das Wahlergebnis als "massive, aber nachvollziehbare Kritik an der Bundesregierung". Parteichef Franz Maget warnte jedoch davor, die "schmerzhaften, aber notwendigen Reformen zurückzudrehen".

Von Jan Bielicki

Magets Stellvertreterin Adelheid Rupp machte "eine Vielzahl von Fehlern der Bundesregierung" dafür verantwortlich, dass "unsere Wähler zu Hause geblieben sind". Rupp, die zum linken Parteiflügel gehört, führte die Wahlniederlage auch auf mangelnde soziale Ausgewogenheit mancher Reformen zurück: "Die Wähler ärgern sich zum Teil zu Recht darüber, dass ihnen in die Tasche gegriffen wird, aber nicht Leuten mit höheren Einkommen." Auch Parteichef Maget mahnte, dass "soziale Gerechtigkeit wieder mehr Gewicht im Auftreten der SPD bekommen" müsse. Maget warnte die Parteilinken jedoch davor, die "unvermeidlichen Reformen als sozial ungerecht zu bekritteln". Wer das tue, "macht sich zum Kronzeugen unserer Gegner".

So haben die Münchner gewählt (Foto: Grafik: SZ)

Tatsächlich hat die SPD seit den Europawahlen vor fünf Jahren weit mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren. Nur noch 61000 Münchner stimmten am Sonntag für die Sozialdemokraten. 1999 waren es 80000 mehr gewesen. Die CSU verlor sogar fast 100000 Wähler - allerdings sammelte sie immerhin noch rund 134000 und damit mehr als doppelt so viele Stimmen ein wie ihre sozialdemokratische Konkurrenz. Die Grünen dagegen konnten rund 75000 Münchner hinter sich bringen, also fast 20000 mehr als vor fünf Jahren. Auch die FDP legte zu: Für die Liberalen entschieden sich 19000 Münchner, 4000 mehr als 1999.

SPD-Chef Maget glaubt, hinter dem schlechten Ergebnissen seiner Partei und dem guten Abschneiden der Grünen eine soziale Spaltung der Münchner Wählerschaft entdecken zu können. Eine "relative Wohlstandszene gut situierter, vor allem innerhalb des Mittleren Rings lebender Bürger" habe die Grünen gewählt, so Magets Beobachtung: "Die sind in diesen Kreisen einfach schicker als wir." Die traditionelle SPD-Klientel aus den nicht so wohlhabenden Vierteln außerhalb des Rings sei dagegen zu Hause geblieben: "Diese Leute bekommen die notwendigen Reformen der Bundesregierung viel stärker zu spüren."

Die Wahlergebnisse aus den Stadtvierteln bestätigen diese Analyse nicht ganz. Denn verloren haben die Sozialdemokraten ziemlich gleichmäßig in allen Stadtteilen (siehe Tabelle Seite 46). Richtig aber ist, dass sich die sieben Stadtbezirke, in denen die SPD noch vor den Grünen liegt, allesamt außerhalb des Mittleren Rings befinden. Die vier Bezirke, in denen die Grünen als stärkste Partei nicht nur die SPD, sondern auch die CSU hinter sich ließen, legen sich tatsächlich wie ein grüner Kreis eng um die Altstadt.

Die Stadt-SPD sieht sich dennoch stärker, als die Wahlprozente zeigen. "Wenn es allein um unsere Stadtpolitik gegangen wäre, hätten wir gewonnen", gibt sich Maget überzeugt, schränkt aber sofort ein: "Das ist natürlich eine pure Behauptung."

© SZ vom 15.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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