Münchner Macher: Ivica Vukelic und Tobias Frank:Die genialen Dilettanten

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Sie stehen meist im Hintergrund und bewegen doch unglaublich viel in der Kulturszene dieser Stadt: Münchner Macher wie die Konzertveranstalter Ivica Vukelic und Tobias Frank vom Club Harry Klein.

Von Jörg Schallenberg

Es ging also doch, zumindest drei Jahre lang. "Die Grenzen sind dicht, aber im Club 2 wurden alle Grenzen gesprengt. Musikalisches und wirtschaftliches Sicherheitsdenken war nicht zu beobachten und auch sonst gab es nichts, was an ein Fernsehstudio erinnert hätte. Vorgestern wurde Elektronik alter Schule aufgelegt und am Abend darauf stand ein Liedermacher neuer Schule auf der Bühne."

Es ist ein schöner Nachruf, den der Schriftsteller Franz Dobler im August 2002 über einen Club verfasste, der sich nach einer österreichischen TV-Sendung benannte und weit über München hinaus in kurzer Zeit einen legendären Ruf erspielt hatte - dann aber wie so viele Orte, an denen "als Profil nur das Abenteuer" (Dobler) zählte, dichtmachen musste. Wegen Ärgers mit der Brauerei, dem Nachbarn, dem Pächter, der Wirtschaftslage.

Vertrauen der Konzertagenturen

Für Ivica Vukelic, den jeder in München nur Ivi nennt, und Tobias Frank alias Tobi, die den Club 2 betrieben hatten, war damit ein Traum zu Ende. Andererseits war es auch ein Anfang. "Schon zwei Wochen später haben wir die nächsten Konzerte veranstaltet", erzählt Ivi, "was ohne den Club 2 nie funktioniert hätte. Damit hatten wir uns einen Namen gemacht und das Vertrauen der Konzertagenturen bekommen."

Weil dieser Ruf so wichtig war, behielten Ivi und Tobi den Namen Club 2 gleich bei, auch wenn die Türen des Wohnzimmer-Lokals in der Kirchenstraße unwiderruflich geschlossen blieben.

Fortan brachten Ivi und Tobi ihre Bands eben in ziemlich allen anderen Auftrittsorten kleiner und mittlerer Größe in München unter - und waren dabei derart emsig, dass man als Konzertbesucher anfangs ziemlich verblüfft war, Ivi und Tobi plötzlich wahlweise im Amerikahaus, im Café der Muffathalle, im Atomic Café, im Prager Frühling, in der Registratur, beim Bayerischen Rundfunk und sowieso ständig im Harry Klein hinter der Kasse, dem Info-Stand oder dem Mischpult anzutreffen.

Ein wenig scheint es, als habe sich der Club 2, seitdem er als fester Ort an der abgelegensten Ecke von Haidhausen nicht mehr existiert, wie ein unsichtbares Netz über die ganze Stadt gelegt.

Geld und Ruhm

Der Eindruck entsteht natürlich vornehmlich, weil Ivi und Tobi im Gegensatz zu anderen, größeren Konzertveranstaltern fast immer selbst dabei sind, wenn "ihre" Künstler irgendwo auftreten. Diese Prinzip, soviel wie möglich allein zu machen, haben die beiden aus ihrem Club mitgenommen - oder auch: mitnehmen müssen.

"Das war eine Kostenfrage", erinnert sich Tobi, "warum soll ich jemanden für das Abmischen des Sounds engagieren, das mache ich doch lieber selber - ob ich es nun kann oder nicht. Dann lerne ich es halt." Inzwischen kann er es so gut, dass er auch außerhalb der eigenen Konzerte für Bands wie Hellfire die Regler bedient. Aus Kostengründen. Um das zu verdienen, was nach den Club 2-Einnahmen noch zum Leben fehlt.

Wenn man sich vorgenommen hat, auf einer professionellen Basis Konzerte von Bands und Solokünstlern zu veranstalten, die eigentlich alles spielen dürfen, nur bloß nichts Durchschnittliches, das auf ein möglichst breites Publikum abzielt, und zudem noch darauf verzichtet, irgendwelche kurzlebigen Szene-Trends auszuschlachten, dann kann man damit durchaus Geld verdienen. Nur nicht besonders viel.

Dennoch, sagt Ivi, als sie den Club 2 im Sommer 1999 eröffneten, seien sie sich in einem einig gewesen: "Wir sind mit Anfragen von Bands überhäuft worden. Aber wir haben immer nur die spielen lassen, die wir beim Hören super fanden. Es war egal, welches Platten-Label oder welche Agentur dahinter steckte - weil wir die eh nicht kannten. Es war nur das Stück Musik, das entschied, ob die bei uns spielen oder nicht."

Wer besteht den Hör-Test?

Wer den Hör-Test bestand, bewegte sich meist irgendwo zwischen gehobenem Gitarren-Pop, Elektronik, Post-Punk, Post-Rock, allerlei undefinierbarer Avantgarde, Jazz, US-Folk und klassischen Songwritern.

Anders gesagt: Wer die Musikzeitschrift Spex liest und sich auch mal im Feuilleton überregionaler Zeitungen über Popmusik informiert, ist bei Club 2-Konzerten bis heute richtig aufgehoben. Wofür Ivi und Tobi von fast jedem reichlich gelobt werden, mit dem man über sie spricht - seien es Club-Besitzer, Konzertveranstalter, Musiker oder Besucher.

Ohne den mobilen Club 2, so lassen sich die Urteile zusammenfassen, sähe es in Sachen anspruchsvolle Popkultur viel ärmer aus in München. Fast wichtiger aber noch: Ohne Ivi und Tobi wäre die dazugehörige Szene ein ganzes Stück unpersönlicher.

Zum einen kann man Ivis und Tobis Geschmackssicherheit auch bei völlig unbekannten Bands meist blind vertrauen, zum anderen vermittelt es etwa dem Journalisten als beruflich bedingtem Stammkunden bei Club 2-Konzerten schon ein gewisses Gefühl der Geborgenheit, wenn Tobi sich kurz vor Konzertbeginn hinter dem Mischpult zum hundertsten Mal nervös die überlange Strähne aus der Stirn streicht und Ivi noch schnell die letzten Infos an den Mann bringt, wobei er mal wieder vergessen hat, nach dem Fahrradfahren sein Hosenbein vom Knie runterzukrempeln.

Ehrlich zuverlässig

Das entspricht ungefähr dem Gesamteindruck, den die beiden vermitteln: gelegentlich verwirrt, aber immer kompetent, zuverlässig und freundlich. Und außerdem ehrlich.

Im Gegensatz zu manch anderen Kulturschaffenden reden Ivi und Tobi über ihre Flops ebenso gleichmütig wie über äußerst erfolgreiche Konzerte, etwa den Auftritt der vielköpfigen und viel gerühmten US-Soul"n"Country-Band Lambchop im Amerikahaus, der ihren Ruf als tatkräftige und verlässliche Veranstalter begründete.

Dabei starteten Ivi, damals 28, und Tobi, damals 29, vor gut fünf Jahren als eine Art geniale Dilettanten in ihr neues Leben als Club-Betreiber und Konzertveranstalter. Sie wussten zwar ziemlich genau, was sie wollten, hatten aber erbärmlich wenig Ahnung, wie das funktionieren sollte.

Zwar besaßen beide reichlich Erfahrung in der Gastronomie und hatten sich als Stammkräfte vor und hinter der Theke der längst geschlossenen Egon Bar kennen gelernt, doch betriebswirtschaftliche Kenntnisse waren ihnen ebenso fremd wie technisches Verständnis. Tobi hatte Germanistik und Geografie studiert, Ivi Kunsterziehung.

Also machten sie erst einmal alle Fehler, die man so machen kann. Sie pachteten eine Kneipe ohne jede Laufkundschaft, rüsteten sie mit einer für Konzerte viel zu kleinen Musik-Anlage aus und überließen den Agenturen, die ihnen die Bands vermittelten, anfangs bereitwillig das gesamte Eintrittsgeld. "Ich kann mich erinnern", sagt Ivi heute grinsend, "dass ein Münchner Agent gesagt hat, er würde jetzt wieder an das Gute im Menschen glauben. Ich wusste damals nicht, wie er das meint."

Bands statt Betriebswirtschaft

Dass sie mit dem Club 2 nicht nach wenigen Monate in eine Total-Pleite schlitterten, lag einzig daran, dass die Weilheimer Band The Notwist nacheinander drei restlos ausverkaufte Konzerte bei ihnen spielte. Somit hatten Ivi und Tobi ihr anfängliches kaufmännisches Unverständnis zum ersten Mal mit ihrer viel gepriesenen Geschmackssicherheit und dem Kontakt zur richtigen Band ausgeglichen.

Außerdem wussten sie schnell, wie man wichtige Kontakte pflegt - zum Beispiel durch den Magen: Ivi bekochte höchstpersönlich die Bands, die meistens in einer Wohnung direkt über dem Club logierten - und zum Teil bis heute von den Aufenthalten an der Kirchenstraße schwärmen.

Wenn ihn Bands darum bitten, sagt er, fahre er heute noch ab und zu mit dem Fahrrad einen Topf rüber in den Club Harry Klein. Doch das ist nicht nur ein Spleen aus alten Zeiten, sondern natürlich auch billiger, als fünf Musiker ins Restaurant zu schicken. Denn obwohl Tobi sich jetzt in die kaufmännischen Belange eingearbeitet hat, bleibt wenig Geld hängen.

Steigende Gagen, enorme Konkurrenz

Dazu kommen ständig steigende Künstlergagen und eine enorme Konkurrenz, weil immer mehr Bands auf Tour gehen wollen, nachdem die Einnahmen aus den CD-Verkäufen eingebrochen sind. Ivi ist jedenfalls froh, "dass ich das unternehmerische Risiko mit einem eigenen Club am Bein nicht mehr tragen muss".

Und Tobi findet: "Wir genießen jetzt auch mal die Sonne. Man muss halt damit leben, dass man nicht zum Essen gehen kann." "Oder", setzt Ivi fort, "nicht sechs Wochen nach Thailand fliegen." Immerhin reicht es Tobi für zwei Wochen Radfahren in Tschechien. Es hat eben seinen Preis, wenn man auf Sicherheitsdenken verzichtet. Dafür bekommt man später einen schönen Nachruf.

© SZ vom 30.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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