Münchner Gastro-Krise:Zeitgeist vertreibt Weißwurst

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Trotz gestiegener Preise auf den Speisekarten spitzt sich die Lage der Gastronomie dramatisch zu. Nach Informationen der SZ bewegen sich mittlerweile manche Wirte bereits am Rande der Legalität, um überleben zu können.

Von Astrid Becker

(SZ vom 5.1.2004) — Auch Ludwig Hagn, der Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands zog zum Jahresende eine düstere Bilanz: "Die Situation scheint aussichtslos." Besonders schlimm von der Krise betroffen sind die offenbar traditionellen bayerischen Gasthäuser.

"Die Wirte können das Geld, das sie zum Überleben brauchen, gar nicht mehr vom Gast verlangen", sagte Hagn im Gespräch mit der SZ. Als Gründe für die gastronomische Misere nannte er die viel zu hohen Mieten, die weiter zunehmende Schwarzgastronomie zum Beispiel bei Vereinsfeiern und die Ankündigung der Brauereien, den Bierpreis Anfang kommenden Jahres zu erhöhen.

Tote Wirtshauskultur

Zudem habe sich der "Zeitgeist" und damit auch das Konsumverhalten der Gäste verändert: "Die früher in Bayern typischen Brotzeiten am Vormittag, wie Weißwurst oder Tellerfleisch, sind kaum mehr gefragt. Die ganz normale bayerische Wirtshauskultur ist tot."

Auch die Versuche vieler, das Mittagsgeschäft wieder anzukurbeln, hätten bisher nicht viel gebracht: "Wenn die Leute etwas essen oder trinken gehen, dann machen sie das abends." Die meisten würden mittags - schon allein auf Grund des gestiegenen Arbeitspensums - allenfalls beim Metzger oder Bäcker etwas einkaufen. Die Pläne, diesen Einzelhandelsbereichen zwölf Sitzplätze zu genehmigen, würden die Gastronomie nur noch weiter schädigen.

Traditionshäuser schließen

Hagns Prognose für die Zukunft: "Selbst in Ballungszentren wie München werden die Leute künftig kaum mehr einen Wirt finden, der mittags noch auf hat." Die einzige Möglichkeit, die Einnahmenseite wieder zu erhöhen, die Preisschraube nochmal nach oben zu drehen, sei aber nicht mehr machbar. Deshalb würden auch 2004 wieder viele etablierte Restaurants und Traditionswirtshäuser dicht machen.

Um die drohende Insolvenz abzuwenden, greifen immer mehr Wirte zu nicht ganz legalen Tricks. So berichten Beschäftigte in der Gastronomie davon, nur noch teilweise auf Lohnsteuerkarte bezahlt zu werden. "Es ist mittlerweile gängige Praxis, dass man einen Teil des Gehalts unter der Hand bekommt", erzählt ein Koch, der aus Angst, seinen Job zu verlieren, nicht genannt werden will.

Weniger Verdienst

Auch viele Kellner sind bereits an ähnliche Zahlungsweisen gewöhnt. "Ich bekomme von meinem Chef 1500 Euro, noch einmal die Hälfte davon drückt er mir seit einem Jahr jeden Monat bar in die Hand", sagt eine Bedienung. Doch auch Gastronomen selbst sprechen offen darüber, dass sie die gestiegenen Personalkosten kaum mehr in die Kalkulation ihrer Preise aufnehmen können.

Laut Hagn fließen derzeit 50 Prozent des kalkulierten Preises in Löhne und Gehälter, in den 50er/60er Jahren seien es nur 18 Prozent gewesen: "Das Problem ist aber, dass wir weniger verdienen als damals."

Schon jetzt haben viele Traditionslokale die Rezession nicht überlebt. So gibt es in einem Viertel aller bayerischen Gemeinden keine Dorfwirtschaft mehr. Und selbst in München, das laut Hagn im Vergleich zu anderen bayerischen Städten noch gut da stehe, haben in den vergangenen Jahren viele Gastronomen aufgegeben.

Edelgastronomie bedroht

Beispiel Innenstadt: Lokale wie das Café Arkadia, der Grüne Hof, die Pschorrbräu Bierhalle und der Domhof sind verschwunden. Auch vor der Edelgastronomie machte die Krise keinen Halt. Karl Ederers Glockenbach oder das Marstall sind nur die bekanntesten Beispiele dafür, dass auch dieses Segment nicht mehr den erwünschten Erfolg bringt.

Und ein Ende der Krise ist offenbar nicht in Sicht. Im Gegenteil, wie Hagn meint: "Auch wenn Jammern zum Geschäft gehört - es ist Fakt, dass viele Gastronomen sich selbst noch gar nicht eingestanden haben, dass sie eigentlich längst pleite sind."

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