Münchner Animationsfirma:Die Augen des Wassers

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Mit der Fantasy-Filmreihe "Die Chroniken von Narnia" verfestigt die Münchner Animationsfirma Flowline ihren Ruf - das Wassermonster stammt aus Grünwald.

Josef Grübl

Es gibt vieles, worauf man in München stolz ist. Das hiesige Filmschaffen zum Beispiel: Jahrelang sah man sich hier in einsamer Spitzenposition - national sowieso, international mitunter auch. Doch dann, es muss irgendwann in den neunziger Jahren gewesen sein, wurde die Münchner Vormachtstellung nach und nach in Frage gestellt.

Das Monster ist eine Erfindung der Computeranimateure und simuliert mehr Kraft als der schlimmste Tsunami. (Foto: Foto: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany)

In Berlin entfaltete sich die Filmszene nach der Wiedervereinigung prächtig: Kreative zogen scharenweise in die Hauptstadt, die Berlinale entwickelte sich zum Treffpunkt des Kino-Jetsets, während die am Ort gedrehten Hollywoodfilme immer spektakulärer wurden. Umso froher ist man in München, wenn mal wieder ein wenig Licht von einer internationalen Großproduktion auf die Stadt abfällt. Und diese hat ausgerechnet mit etwas zu tun, worauf man an der Isar besonders stolz ist: Wasser.

Gemeint ist weder das qualitativ hochwertige Trinkwasser aus dem Loisach-Tal noch der Starnberger See samt seiner Millionäre. Nein, es geht ausschließlich um Wasser aus dem Computer. Wasser also, das einem Tsunami ähnlich anschwellen kann, das eine Zerstörungskraft besitzt, wie man sie in der Natur kaum kennt - und das vor allem so fließt, wie es sich Filmemacher vorstellen.

Der teuerste Film des Jahres

Am morgigen Donnerstag startet in den deutschen Kinos der teuerste Film des Jahres, die in Grünwald ansässige Firma Flowline war maßgeblich daran beteiligt. Eine Viertelmilliarde Dollar soll "Prinz Kaspian von Narnia" angeblich gekostet haben, ein Teil des Budgets floss nach München. Mit ihrer gleichnamigen Software für Wasser-, Feuer-, Schaum- und Rauchsimulationen sind die Effektspezialisten von Flowline nach eigener Auskunft Weltmarktführer, man veredelte bereits Kinohits wie "300", "Poseidon" oder den letzten "Harry Potter". "In dieser Flexibilität und Geschwindigkeit gibt es weltweit nichts anderes", sagt Software-Mitentwickler Thomas Ganshorn selbstbewusst.

Auf die "Narnia"-Folge ist man besonders stolz, auch wenn die Reihe lange als kindischer Ableger der "Herr der Ringe"-Trilogie belächelt wurde. So lange jedenfalls, bis der erste Film vor drei Jahren weltweit mehr als 700 Millionen Dollar einspielte und sich zumindest in punkto Einnahmen mit der Tolkien-Saga messen konnte.

Der zweite Teil (fünf sollen noch folgen - sofern die Zuschauer mitmachen) gehorcht dem alten Hollywood-Gesetz, wonach Fortsetzungen ein Mehr an Action, Effekten und Spektakel bieten müssen. Da konnte man bei den Wasseranimationen natürlich nicht auf die Weltmarktführer aus München verzichten - sie erschufen einen wässrigen Gesellen, der im Finale des Films eine ganze Brücke zerfetzt und die Feinde der kindlichen Helden in den Fluss schleudert.

"Da konnte man schlecht sagen, dass etwas nicht geht"

Ortstermin in Grünwald: In einem kleinen unscheinbaren Gebäude auf dem Bavaria-Gelände residiert Flowline, über der Tür hängt ein Banner des "Lissi"-Films von Michael Bully Herbig. An diesem Projekt hat man hier ebenso gearbeitet wie am Oscar-Gewinner "Nirgendwo in Afrika" oder dem Überschwemmungsthriller "Die Sturmflut"; im deutschen Kino ist die Mutterfirma Scanline seit Jahren eine feste Größe.

Die "Narnia"-Fortsetzung ist der bisher größte Auftrag des 1989 gegründeten Unternehmens, dreißig Fachkräfte haben sich ein knappes halbes Jahr lang rund um die Uhr darum gekümmert. "Wir sind erst sehr spät zu diesem Projekt hinzugestoßen", so Geschäftsführerin Ismat Zaidi. Regisseur Andrew Adamson war mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden und so kam im Winter Flowline zum Zug. "Das war unser Glück, gleichzeitig aber auch eine Riesenherausforderung", sagt Zaidi noch, schließlich blieb bis zum US-Kinostart im Mai nur noch wenig Zeit.

Das Drehbuch sah eine riesige Kreatur vor, die sich aus den Wassermassen eines Flusses erhebt; dieser "Wassergott" sollte mächtig und erhaben erscheinen, gleichzeitig aber für Kinder nicht bedrohlich wirken. Eine knifflige Aufgabe - nicht nur für die Entwickler der Software, die physikalische Gesetze außer acht lassen mussten. Auch die Vorstellungen des Regisseurs waren eher schwammig, da hieß es erst einmal ausprobieren.

Sollte die Figur glatte "Haare" haben oder doch eher eine Dauerwelle? Wie animiert man Augen aus Wasser? Und wofür ist eine Interaktion zwischen Haaren und Schultern sinnvoll, wenn diese sowieso nur aus reißenden Wasserfällen bestehen? "Andrew Adamson ist vom Fach, der kennt sich in der Materie sehr gut aus", sagt Zaidi in Bezug auf die vielen Vorgaben des Regisseurs. "Da konnte man schlecht sagen, dass etwas nicht geht."

Von München nach Hollywood

Kreativer Kopf bei Flowline ist Stephan Trojansky, er entwickelte gemeinsam mit mehreren CG Artists das Aussehen des Wassergottes. Gleichzeitig trieb er die internationale Ausrichtung voran, im Frühjahr eröffnete eine Dependance der Firma in Los Angeles. Damit dürfte sich Flowline endgültig in Hollywood etablieren; die einzige Münchner Animationsfirma mit internationalem Renommee ist sie deswegen aber nicht.

München gilt schon seit Jahren als einer der weltweit führenden Standorte für moderne Filmtechnik. Die Traditionsfirma Arri etwa, die mit ihren Kameras einst das Filmemachen revolutionierte, ist auch im Bereich visuelle Effekte gut aufgestellt. So wurde hier unter anderem der Kassenhit "Das Parfum" aufpoliert.

Man muss sich eben schneller freuen

Auch kleinere Unternehmen wie die Animations- und Effektfirma Trixter arbeiten schon lange nicht mehr nur an Werbefilmen oder Fernsehserien, sondern an Kinofilmen für ein internationales Publikum: Im Frühjahr lief die französisch-deutsche Koproduktion "Die Drachenjäger" an, Anfang nächsten Jahres soll der aufwendige Kinderfilm "Hexe Lilli" von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky in die Kinos kommen.

Auch einige hochspezialisierte Fachkräfte haben in München ihre Zelte aufgeschlagen: Alex Lemke etwa, der an den digitalen Effekten von Blockbustern wie "Troja" oder "Der Herr der Ringe"-Trilogie mitgearbeitet hat. Jüngste Arbeit des Effektspezialisten: Die Otfried Preußler-Verfilmung "Krabat", die im Oktober in die Kinos kommt.

Bei Fantasy-Filmen kommt die Arbeit der Münchner Effektzauberer natürlich besonders schön zur Geltung. Auch wenn sie wie im Fall des zweiten "Narnia"-Ablegers etwas kurz ausfallen: Die Szene mit dem Wassergott, die von den Spezialisten von Flowline perfekt animiert wurde, ist zwar der optische Höhepunkt des Films, nach knapp zwei Minuten aber schon wieder vorbei. Am Stolz der Münchner über diese Großtat sollte das aber nichts ändern. Man muss sich eben ein bisschen schneller freuen.

© SZ vom 30.07.2008/af/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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